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Die Ausgelieferten

Die Ausgelieferten

Titel: Die Ausgelieferten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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3. »Ein Alptraum in Ränneslätt«, 4. »Das Widerlichste, was sich je in Schweden zugetragen hat«, 5. »Wurde als ›Soldat‹ eingestuft, weil er einen Regenmantel trug«, 6. »Reaktion auf die Hysterie«, 7. »57 Minderjährige aufs Sklavenschiff«, 8. »Weitere Einengung unseres Asylrechts«, 9. »Politische Flüchtlinge werden von Schweden dem russischen Standrecht überantwortet«, 10. »Die Besatzung der ›Cuban‹ in Trelleborg herzlich aufgenommen«, 11. »Hysterie beginnt sich zu legen«, 12. »Ergreifendes Abendmahl. Ganz Eksjö in tiefer Trauer«.
    Das Ergebnis der Auseinandersetzung in der Presse schlug sich in einer Meinungsumfrage nieder, die vom 6. bis zum 8. Dezember durchgeführt wurde; die einzige statistische Erfassung des Volkszorns überhaupt. Die Untersuchung war auf zwei Meinungsfragen und eine Wissensfrage abgestellt.
    Die erste Frage lautete: »Wie soll Ihrer Meinung nach mit den baltischen Flüchtlingen verfahren werden; sollen alle nach Hause geschickt werden, nur einige oder keiner von ihnen?«
    Die Frage war unglücklich formuliert: es wurde nicht ausgesprochen, dass es um die 167 baltischen Soldaten ging, ferner war der Ausdruck »nach Hause geschickt werden« ein wenig irreführend. Das Ergebnis ist dennoch interessant.
    45 Prozent der Befragten meinten, die Balten sollten »nach Hause« geschickt werden. 26 Prozent plädierten dafür, dass nur manche von ihnen ausgeliefert werden sollten. 15 Prozent wollten alle Balten in Schweden behalten. 14 Prozent hatten keine Meinung.
    71 Prozent der schwedischen Bevölkerung waren also der Meinung, dass alle oder zumindest einige der Balten ausgeliefert werden sollten. Diese Ansicht äußerten sie in der Zeit vom 6. bis 8. Dezember, und das nach einer Pressekampagne zugunsten der Balten, die beispiellos intensiv gewesen war, und nach Demonstrationen und Protestkundgebungen.
    Die Motive? Wie zu erwarten, waren die meisten Motive unklar, vage, manchmal sogar absurd. »Wir müssen sie loswerden, hier im Lande können wir nichts mit ihnen anfangen« (27 Prozent). »Sie sollen dorthin, wohin sie gehören.« – »Sie gehören nach Hause, damit sie ihrer gerechten Bestrafung zugeführt werden können.« – »Raus mit den Nazis.« – »Sie sollen beim Wiederaufbau helfen.« – »Wir haben nicht einmal für unsere eigenen Landsleute genug Arbeitsplätze.« – »Wenn einer ausgeliefert wird, dürfen die anderen nicht davonkommen.«
    Die Befragten wurden in Kategorien eingeteilt. 64 Prozent der Sozialgruppe 1 wollten einige oder alle Balten ausgeliefert wissen. 65 Prozent der Sozialgruppe 2 plädierten ebenfalls für die Auslieferung einzelner oder aller Balten, und von Sozialgruppe 3 waren es sogar 75 Prozent. Von den Lesern bürgerlicher Zeitungen setzten sich 14 Prozent für ein Verbleiben der Balten ein, unter den Lesern von Arbeiterzeitungen aber nur 4 Prozent.
    Die Untersuchung ist mit Fehlern und Fehleinschätzungen behaftet. Gleichwohl kann man sagen, dass die schwedische Volksmeinung dieses Spätwinters in etwa richtig wiedergegeben wurde.
    Sei misstrauisch. Nimm nicht alles hin, wie man es dir vorsetzt. Die genannten Fakten hätte man auch anders wiedergeben können. »41 Prozent der schwedischen Bevölkerung wollten alle oder einen Teil der Balten im Land behalten. 14 Prozent waren unentschlossen, und nur 45 Prozent waren der Meinung, man sollte alle ausweisen.« Warum wählte er statt dessen die erste Formulierung?
    Nimm eine Darstellung nicht so hin, wie sie sich darbietet, denk selbst nach, sei misstrauisch. Es gibt keine engelsgleiche Objektivität, keine endgültige Wahrheit, die von ihren politischen Ursprüngen losgelöst ist. Prüfe, sei misstrauisch. Stelle in Frage.
    Zeitungen werden – ebenso wie Meinungen – von Menschen gemacht.
    Expressen leitete seinen Einsatz in der Balten-Affäre am 20. November mit einem kurzen und relativ vorsichtigen Leitartikel ein, dessen Autor sich vor allem gegen die »Geheimniskrämerei« wandte und von den Behörden klare Auskunft forderte. Am 22. November folgte eine etwas umfangreichere Darstellung: fremde und eigene Kommentare zum Stand der Dinge: »Die Schnelligkeit und Kraft, mit der die Meinungsäußerungen nach Bekanntwerden des Auslieferungsbeschlusses an die Öffentlichkeit drangen, ist sehr erfreulich.« Es wurde immer deutlicher, dass Expressen ein entschiedener Gegner der Auslieferung war. In einem kurzen Leitartikel vom 22. fragte die Zeitung, ob »das Außenministerium in

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