Die Ausgelieferten
registrierten. Rein politisch gesehen war die Frage längst entschieden, und daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Auslieferung noch einmal, im Reichstag, erörtert wurde. Dies geschah in der Sitzung am 17. Januar. Die Reihe der Redner war lang, aber sie manövrierten jetzt außerhalb der Parteipferche. Als Per Albin Hansson in einer Erwiderung sagte, dass er in dieser Sache »ständigen Kontakt mit den Parteiführern gehalten« habe, so unterstrich er mit dieser Äußerung, dass die Sache politisch an einem toten Punkt angelangt war. »Wir haben die Angelegenheit auch im Auswärtigen Ausschuss diskutiert. Bei diesen Gesprächen ist niemand in der Lage gewesen, einen Ausweg aus der Situation zu finden.«
Wie sollten die Appelle einzelner politischer Freibeuter an die Menschlichkeit da noch helfen können?
Der Chef der folkparti , Bertil Ohlin, gab mit seinem einzigen und sehr kurzen Beitrag zur Auslieferungsdebatte für die politische Blockierung der Frage ein repräsentatives Beispiel. Er stellte fest:
»Als Mitglied der Regierung, die den fraglichen Beschluss gefasst hat, trage ich natürlich meinen Teil der Verantwortung. Ich möchte jedoch mein Bedauern darüber ausdrücken, dass dieser Beschluss so unnuanciert blieb. Inwieweit es im Sommer möglich gewesen wäre, eine Modifikation des Beschlusses zu erreichen, entzieht sich meiner Beurteilung, ich neige aber dazu, diese Chancen als sehr gering einzuschätzen. Ich bedaure also das, was geschehen ist. Jedoch soll nichts von dem, was ich hier gesagt habe, meinen Teil der Verantwortung mindern.«
»Ich neige aber dazu, diese Chancen als sehr gering einzuschätzen.« Genau dort stand die Frage in politischer Hinsicht an diesem Tag im Januar 1946. Es gab Hoffnungslosigkeit, einen Kater, Äußerungen des Bedauerns. Bis zur Auslieferung blieb noch eine Woche.
10
S ie räumten die Lager in zwei Wellen. Die erste Welle kam am 23. Januar, die zweite am 25. Danach war es vorbei.
Am Nachmittag des 22. kamen die Polizisten nach Kristianstad, wohin sie aus ganz Südschweden zusammenströmten. Sie trugen Zivilkleidung, sie sollten das Wachpersonal verstärken, durften aber kein Aufsehen erregen, doch da man alle nach Rinkaby brachte, wusste die Presse sofort, worum es ging. Am nächsten Tag konnte man zahlreiche Artikel lesen, in denen angedeutet wurde, dass die Auslieferung unmittelbar bevorstehe.
Gegen 4 Uhr morgens am 23. versammelte sich die Staatspolizei außerhalb des Lagergebiets, stellte sich aber ausschließlich auf das Lager von Rinkaby ein. Jetzt war der Einbruch eine Routinesache, weil dies nicht mehr das erste Lager war, das geräumt wurde; jetzt ging alles schnell und effektiv. Um 6.30 Uhr wurde mit einer Signalpistole das Zeichen zum Angriff gegeben, man durchschnitt Stacheldrahtzäune und öffnete Tore, und weil es mehr Polizisten als Internierte gab, konnte man diese in ihren Betten überraschen und ohne Mühe unter Kontrolle halten. Es verlief alles sehr ruhig. Jeder durfte noch einen Brief schreiben, ein erstes Frühstück einnehmen – natürlich unter strenger Kontrolle –, und anschließend wurden die Internierten in die Busse verfrachtet.
Um 10 Uhr war alles klar. Die Räumung war technisch gesehen eine Glanzleistung, und der Widerstand war unbedeutend gewesen. Insgesamt waren 128 Deutsche und 23 Balten aus diesem Lager evakuiert worden, das jetzt leer war.
Die Busse verließen Rinkaby um 10.15 Uhr; sie fuhren über Kristianstad. Dort holte man Kessels und Cikste ab, die in zwei Busse gesteckt wurden, sowie Eichfuss, den man in einem Wagen zusammen mit zwei schwedischen Polizisten unterbrachte. Anschließend ging es in Richtung Trelleborg.
Den Plänen zufolge sollte das russische Schiff »Beloostrov« sich an diesem Morgen in Malmö befinden. Während der letzten Tage war aber ein starker Ostwind aufgekommen, der Wind wehte quer zur Hafeneinfahrt, wo es außerdem gefährliche Strömungen gab.
Am 20. Januar wurde Windstärke sieben nach der Beaufort’schen Skala registriert, am 21. Windstärke fünf, am 22. fünf, am 23. ebenfalls fünf; das Schiff konnte unmöglich einlaufen. Der Wind schwankte zwischen Ost und Südost. Manche Böen erreichten eine Geschwindigkeit von 16 Metern pro Sekunde: es war unmöglich, das Schiff einlaufen zu lassen, die Pläne mussten in letzter Minute geändert werden. Das Schiff wurde nach Trelleborg umgeleitet.
Die Busse schickte man zunächst nach Malmö, dann nach Falsterbohus. Dort übernachtete
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