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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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ihn fragen, was er damit sagen will und was er gesehen hat. Was er und Tomas getan haben, dass jetzt so ein Schatten auf ihren Gesichtern liegt. Aber dazu bleibt mir keine Zeit mehr, denn Will biegt von der Straße ab und steuert auf die in einiger Entfernung liegenden Gebäude zu. Nun, welches Geheimnis die beiden Jungs auch vor mir verbergen wollen, ich werde es lüften.
    Tomas ist nicht in Gesprächslaune, als wir in Richtung Südwesten losradeln. Die hohe Geschwindigkeit, die er vorlegt, verrät mir, dass er versucht, so weit wie möglich von Will wegzukommen, ehe die Nacht hereinbricht. Vielleicht versucht er aber auch, sich rasch von dem zu entfernen, was zwischen den beiden vorgefallen ist, während sie allein waren. Ich muss mich sehr anstrengen, mit ihm mitzuhalten, und hänge oft zurück. Mein Arm pocht, und mein ganzer Körper verlangt dringend nach einer Pause, aber ich halte nicht an, bis das Blau des Himmels langsam in Grau übergeht.
    Ich hole gerade das gebratene Fleisch heraus, da sagt Tomas: »Der Mond scheint heute heller als in den letzten Nächten. Wahrscheinlich könnten wir sogar noch ein bisschen weiterfahren, wenn du das schaffst.«
    »Warum denn? Ich meine: Ich will diesen Teil der Prüfung natürlich auch möglichst schnell hinter mich bringen, aber du benimmst dich, als würde uns irgendetwas verfolgen.« Verkrüppelte Klauen schieben sich vor mein geistiges Auge. Ich versuche, die Erinnerung abzuschütteln, und frage: »Was ist passiert, während ich weg war?«
    »Nichts.« Tomas zuckt mit den Schultern. »Sieh mal, wir haben viel Zeit im Straßenlabyrinth verloren, und wer weiß, was sich unsere lieben Ausleseprüfer noch alles haben einfallen lassen, um uns unterwegs aufzuhalten. Ich denke, wir sollten versuchen, schnell voranzukommen, solange es geht.«
    Inhaltlich hat er sicherlich recht, aber sein unbekümmerter Tonfall steht in deutlichem Widerspruch zu seinen fest zusammengepressten Kiefern und der Art und Weise, wie er die Hände neben seinem Körper zu Fäusten ballt und sie wieder öffnet. In diesem Augenblick sehe ich es. Einen braunen Streifen auf dem Griff seines Messers.
    Getrocknetes Blut.
    Mir dreht sich fast der Magen um, als ich an den anderen Kandidaten denke, mit dem Will und er zusammengestoßen sind. An die Fragen, die Tomas mir nicht beantworten wollte. Wills Warnung, dass Tomas nicht so sei, wie es den Anschein hat. Ich versuche, die aufsteigende Angst zu verdrängen, und sage mir, dass ich Tomas jetzt schon seit Jahren kenne. Er ist freundlich und fürsorglich. Vermutlich stammt das Blut von einem Tier, das er mit dem Messer gehäutet und ausgenommen hat. Und selbst wenn nicht, gibt es sicher einen anderen vernünftigen Grund für den Fleck. Das sollte ich schließlich am besten wissen. Ich sollte Tomas einfach darauf ansprechen und so meine Sorge ein für alle Male loswerden.
    Aber ich tue es nicht. Ich esse mein Fleisch und ein bisschen Klee, trinke etwas Wasser und steige wieder auf mein Rad. Erst nach weiteren fünf Meilen machen wir endgültig halt für diesen Tag.
    Wir schlagen unser Lager auf, und Tomas beharrt darauf, dass wir abwechselnd Wache halten. Nach meinen Erfahrungen am Bach habe ich keine Einwände. Er übernimmt die erste Schicht und stellt sich neben einen Baum. Im Mondlicht kann ich sehen, dass er sich Tränen wegwischt. Mein erster Instinkt ist, zu ihm zu gehen, doch ich weiß, dass er glaubt, ich würde schon schlafen. Seine Trauer gehört nur ihm. Mein Herz ist schwer, weil er seinen Schmerz und den Grund dafür nicht mit mir teilen will. Aber wie könnte ich etwas dagegen einwenden? Auch ich habe meine Geheimnisse. Geheimnisse, die mich gegen den Schlaf ankämpfen lassen. Und als ich die Schlacht schließlich verliere, suchen mich diese Geheimnisse in meinen Träumen heim.
    Tomas weckt mich aus einem Traum voller Schüsse und blutiger Messer. Er küsst mich und fragt, ob mit mir alles in Ordnung sei. Das ist es nicht, aber ich lächele ihn an und sage, dass ich mich an meinen Traum nicht mehr erinnern könne. Noch mehr Geheimnisse. Da ich nun wach bin, schlage ich ihm vor, er solle sich ein bisschen ausruhen, während ich die nächste Schicht übernehme. Ich setze mich neben denselben Baum, den er sich auch ausgesucht hatte, doch statt die Straße zu beobachten, starre ich auf den Grenzzaun und warte, ob da jemand erscheint. Es kommt keiner.
    Als der Morgen beginnt, steigen wir auf unsere Fahrräder und machen uns auf den Weg.
    Obwohl

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