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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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hinauf, wie es mir meine Brüder beigebracht haben.
    Der Baum, den ich mir ausgesucht habe, hat ein kräftiges Geäst. Ich finde eine Stelle, von der gleich mehrere dicke Äste abgehen, und lasse mich dort nieder, den Rücken gegen den Stamm gelehnt. Es ist nicht gerade das gemütlichste Bett aller Zeiten, aber ich bin mir immerhin ziemlich sicher, dass ich nicht hinunterfallen werde, falls ich es wirklich schaffen sollte, in dieser Nacht zu schlafen. Der Mond kommt heraus. Ich sehne mich nach der Hand meiner Mutter, damit sie mir heute Nacht übers Haar streicht, wie sie es immer getan hat, wenn ich krank war. In Gedanken bin ich zu Hause, aber die Augen halte ich fest auf die Straße gerichtet, für den Fall, dass Tomas und Will weitergelaufen sind.
    Irgendwann während dieser Wache muss ich jedoch trotzdem eingeschlafen sein.
    Hände greifen nach mir. Krallen graben tiefe Furchen in meinen Arm. Anstatt unverständliche Worte zu brabbeln, ruft die Person, die ich erschieße, meinen Namen. Tränen strömen aus ihren intelligenten Augen, während sie mich bittet, Mitleid zu haben. Doch das habe ich nicht. Ich schieße und töte wieder und wieder.
    Als ich mit einem Ruck aus dem Schlaf fahre, ist mein Gesicht nass von Tränen. Mein Herz beruhigt sich ein bisschen, als ich begreife, dass ich nicht mehr auf dem Hang stehe. Da sind keine schmerzerfüllten Augen, die mich mit ihren ersterbenden Blicken anklagen. Ich bin ganz allein.
    Der Mond scheint noch immer, aber der graue Schimmer am Horizont verrät mir, dass der Tag bald anbrechen wird. Ich spähe zur Straße und sehe meine behelfsmäßige Fahne am Rand stehen. Tomas und Will sind nicht in Sicht.
    Mein verletzter Arm protestiert, sobald ich auf meinem Ast herumrutsche und mich an den Abstieg machen will. Als ich meine Füße auf den Boden aufsetze, sind die Schmerzen kaum mehr zu ertragen, und ich schlucke einige Tabletten, ehe ich die Risse in meiner Haut noch einmal säubere. Die Wunden sehen nicht schlimmer als am Vortag aus, woraufhin ich mich gleich besser fühle. Ich trage eine weitere Schicht Salbe auf und erneuere mühsam den Verband. Ein dumpfer Aufprall hinter mir jagt mir einen solchen Schreck ein, dass mir beinahe das Herz stehen bleibt, und ich springe auf, meine Pistole fest umklammert. Hektisch sehe ich mich nach der Quelle des Geräuschs um und entdecke sie: Auf dem Boden in der Nähe des Zauns liegt ein weiterer dunkelbrauner Beutel, der ganz genauso aussieht wie der, den ich gestern zugeworfen bekommen habe. Dieses Mal zögere ich nicht, sondern öffne ihn gleich: Wasser. Zwei Äpfel. Ein Brotlaib und Käse. Außerdem etwas, das wie ein Stück gebratenes Huhn aussieht. Kein Zettel. Kein Hinweis auf meinen Wohltäter, nur das Essen und das Wasser. Beides lässt wieder Hoffnung in mir aufkeimen.
    Mein Frühstück besteht aus dem Stück Huhn und einem Apfel. Ich fühle mich gestärkt nach der Mahlzeit, schiebe die Überreste in meiner Tasche ganz nach unten und breche auf. Die Schmerzmittel machen meine Verletzung erträglich. Zwar tut mein Arm noch immer weh, aber ich kann es aushalten. Ich ziehe meine Markierungsflagge wieder aus dem Boden, steige auf mein Rad und fahre Richtung Osten, um meine Freunde zu suchen.
    Zwei Meilen die Straße hinauf finde ich sie endlich. Sie sehen erschöpft aus, sind aber am Leben. Schon aus einiger Entfernung kann ich sehen, wie sich Tomas’ Miene aufhellt, als er mich kommen sieht. Mein Herz quillt über vor Liebe, als ich mit dem Rad die Straße entlangjage, anhalte, abspringe und mich in Tomas’ ausgebreitete Arme werfe. Sein Mund findet meinen, und eine Minute lang vergesse ich, dass Will noch neben uns steht. Ich gebe mich voll und ganz dem Gefühl hin, am Leben und verliebt zu sein. Als mir unser Freund wieder einfällt, löse ich mich aus der Umarmung, laufe zu Will, gebe ihm einen Kuss auf die Wange und reiche ihm eine Flasche mit frischem Wasser.
    »Siehst du, Tomas. Ich habe dir doch gesagt, dass es ihr gut geht und dass sie Wasser finden wird.« Will nimmt mehrere Schlucke aus der Flasche und wirft mir ein Lächeln zu. »Deine Schlingen wirken Wunder. Zwei Eichhörnchen und so etwas wie ein mutierter Fuchs haben sich darin verfangen. Zu blöd, dass deine Fallen mich nicht mit Rädern versorgen können. Aber so ist das nun mal, oder?«
    »Darüber habe ich nachgedacht«, sage ich, während Tomas den Verband bemerkt, von dem ein Stück unter meinem Hemd hervorlugt.
    »Was ist denn passiert?« Sanft nimmt

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