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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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bekommen werde. Ich strampele weiter und lasse mich zwischendurch rollen, bis ich die Straße entdecke. Dort angekommen, kann ich mich kaum noch auf den Beinen halten, geschweige denn in die Pedale treten. Ich setze mich auf den harten, heißen Asphalt, hole endlich mein Erste-Hilfe-Set heraus und reiße mein Oberteil so weit auf, dass ich leichter an die Wunden herankomme. Die fünf parallelen Schlitze in meinem Arm sind zwar nicht allzu tief, aber ausgefranst und mehr als zehn Zentimeter lang. Schlimm, ja, aber nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe. Es schmerzt zwar, aber ich kann meinen Arm trotzdem noch bewegen. Weder die Muskeln noch irgendwelche Sehnen sind betroffen, und mir wird ganz flau vor Erleichterung.
    Manchmal schwären die Kratzer von Tieren, wenn man sie nicht richtig behandelt. Obwohl mein Angreifer menschlich war, säubere ich sorgfältig jeden Zentimeter der aufgerissenen Haut und trage die Desinfektionssalbe dick auf. Ein entsetzliches Brennen strahlt von der Wunde in alle Richtungen aus. Meine Augen tränen, und meine Nase läuft. Ich kann mich weder um das eine noch um das andere kümmern, denn mit der Hand meines unverletzten Armes wickele ich einen Verband um die Wunde. Als ich damit fertig bin, kämpfe ich mich mühsam in mein zweites Oberteil. Der Stoff verfängt sich an meinem Erkennungsband, und ich frage mich kurz, ob die Leute, die zuhören, aufgeregt geworden sind, als sie die Pistolenschüsse hörten. Glauben sie, dass ich einen anderen Kandidaten ausgeschaltet habe? Steige ich jetzt in ihrem Ansehen und stärke meinen Ruf als potenzielle Anführerin? Haben sie mitbekommen, dass ich verletzt bin? Interessiert sie das alles überhaupt?
    Mein Körper will nichts lieber, als einfach sitzen zu bleiben, aber ich stehe langsam auf, verstaue meine Tasche auf dem Gepäckträger meines Fahrrads und werfe einen Blick auf den Transit-Kommunikator. Ich habe heute mehr als fünfundvierzig Meilen zurückgelegt. Will und Tomas sind irgendwo auf der Straße weiter östlich. Und sie brauchen dringend das Wasser, das ich gefunden habe. Ihr Überleben, das weiß ich, hängt davon ab, dass ich in die Pedale trete. Und wenn ich ehrlich mit mir selbst bin, dann habe ich noch ganz andere, weniger noble Gründe dafür, so schnell wie möglich umzudrehen. Ich habe Angst vor dem Alleinsein. Angst davor, mich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die mit der Dunkelheit kommen werden. Angst davor, mich meinem eigenen Gewissen zu stellen, nun da ich menschliches Leben ausgelöscht habe.
    Vielleicht aber wird mir nichts anderes übrig bleiben. Als das Sonnenlicht schwächer wird, zittern meine Beine. Ich esse den Rest des Brots und ein paar Rosinen, trinke Wasser und überprüfe erneut die Koordinaten auf dem Kommunikator, um abzuschätzen, wie lange es wohl noch dauert, bis ich wieder bei Will und Tomas bin. Wenn sie ebenfalls haltgemacht haben, um nach Nahrung und Wasser zu suchen, dann könnten sie noch meilenweit entfernt sein. Viel zu weit also, um sie noch zu erreichen, ehe der Himmel schwarz wird.
    Meine Muskeln sind schwer. Ich suche die Hänge rechts und links der Straße nach einem Platz zum Übernachten ab und halte Ausschau nach einem unauffälligen Platz, der mich verbirgt, von dem aus ich jedoch trotzdem einen guten Blick auf die Straße habe, falls Tomas und Will auch in der Dunkelheit noch weiterlaufen. Zwei Meilen später sehe ich einige Bäume, vielleicht Eichen oder Ulmen, die gute fünfzig Meter weg von der Straße in der Nähe des Grenzzaunes stehen. Ich befestige ein Stück vom weißen Laken an einem Zweig und stecke ihn als Markierung in den Boden. Wenn Tomas und Will das sehen, werden sie wissen, dass ich irgendwo ganz in der Nähe bin.
    Die Blätter an den Bäumen sind zwar braungelb, aber die Äste und Zweige sehen ganz gesund aus. Vielleicht würde ich auf dem Boden bequemer schlafen, aber ich beschließe, auf einen der Bäume zu klettern und zu hoffen, dass ich dort in einer stabilen Astgabel einen Platz für die Nacht finden werde. Natürlich wird das nur gehen, wenn mein linker Arm kräftig genug ist, mich hochzuziehen. Ich verstecke mein Fahrrad inmitten von hohem braunem Gras und beschließe, es zu versuchen. Als ich hochspringe und einen niedriger hängenden Ast zu fassen bekomme, brennt mein linker Arm ganz entsetzlich. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht laut aufzuschreien, aber ich lasse nicht los. Stattdessen knirsche ich mit den Zähnen, ziehe mich hoch und klettere so

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