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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
Autoren: Joelle Charbonneau
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wir uns nicht trauen, in ihnen Schutz zu suchen. Doch uns ist klar, dass uns nichts anderes übrig bleiben wird, denn wir haben gesehen, wie nachts Raubtiere umherstreifen. Mina humpelt. Ich entdecke einen langen, dicken Ast und biete ihr an, daraus einen Krückstock zu machen. Während ich beschäftigt bin, geht Geoff einige Blöcke vor und sieht sich um. Mina ruft ihm zu, er solle sich nicht zu weit von uns entfernen. Er verspricht es uns. Einige Minuten später schreit er, er habe etwas gefunden. Und dann explodiert die ganze Welt.«
    Dad verstummt. Mein Herz hämmert laut in meiner Brust. Dads Stimme ist so leise geworden, dass ich mich vorbeugen muss, um ihn zu verstehen, als er weiterspricht. »Mina finde ich als Erstes, halb unter einem Betonklotz begraben. Blut läuft ihr übers Gesicht.«
    Dad schluckt schwer. Sein Atem geht stoßweise. Seine herunterhängenden Hände ballen sich zu Fäusten und öffnen sich wieder. Ich sehe, dass er aufhören will zu sprechen. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass er es dabei belässt. Das fühlt sich alles viel zu echt an. Ich kann das Blut sehen, und ich kann die Angst meines Vaters spüren.
    »Einen von Geoffs Stiefeln finde ich gut drei Meter von Minas Körper entfernt. Ich brauche eine Minute, bis ich begreife, dass sein Fuß noch immer im Stiefel steckt, dann fange ich an zu schreien. An dieser Stelle endet der Traum.«
    Einen Augenblick lang ist die Nacht um uns herum still. Es sind keine Eulen mehr zu hören. Keine Nachtfalter flattern. Da ist nur das Bild eines Jungen, der nicht viel älter ist als ich und der in Stücke gerissen auf einer verlassenen Straße liegt. Ein Junge, der aufgebrochen war, um sich prüfen zu lassen …
    »Das war doch nur ein Traum.« Das hat Dad immer zu mir gesagt, wenn ich einen Albtraum hatte, und ich habe es ihm stets abgenommen. Auch jetzt noch möchte ich das glauben.
    »Vielleicht.« Mein Vater blickt auf. Als ich den gequälten Ausdruck tief in seinen Augen sehe, halte ich den Atem an. »Jahrelang habe ich mir eingeredet, es sei nur ein Traum. Ich habe mich damit getröstet, dass ich im Wachzustand keinerlei Erinnerung an ein Mädchen namens Mina habe. Bei unseren Experimenten gelang uns ein Durchbruch nach dem anderen. Neue Pflanzen, an deren Züchtung ich beteiligt war, begannen zu gedeihen. Aber keiner Menschenseele habe ich je von meinen Träumen erzählt. Dann hat mir das Commonwealth einen Job in Five Lakes zugewiesen. Gott, was war ich wütend. Für mich war es eine Beleidigung, nach Five Lakes geschickt zu werden. Nur eine Handvoll Universitätsabsolventen hat es hierher verschlagen. Als ich ankam, gab es nicht einmal ein eigenes Haus für mich. Ich musste im Wohnzimmer von Flint Carro schlafen.«
    Diesen Teil der Geschichte kenne ich gut. Normalerweise erzählt Dad ihn mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Wie er sich mit dem Arzt der Kolonie anfreundete und von Flint in ein Schneidergeschäft geschleppt wurde, wo er meine Mutter an einem Webstuhl arbeiten sah. Wie er sich sofort in ihre Anmut und in ihre freundliche Art verliebte.
    Aber darum geht es dieses Mal nicht. Und heute lächelt mein Vater auch nicht.
    »Flints Haus ist klein. Dort konnte ich meine nächtlichen Albträume nicht verheimlichen. Flint ließ eine Woche verstreichen, ehe er mich darauf ansprach. Ich versuchte, alles herunterzuspielen. Da erzählte er mir von seinen eigenen Träumen. Sie waren nicht ganz so beängstigend, aber ebenfalls verstörend. Gesichter von Menschen, an die er sich nicht erinnern konnte. Immer wartete er darauf, dass Freunde von der Examensprüfung zurückkämen, doch sie kamen nie. Im Laufe des folgenden Jahres sprachen Flint und ich mit den anderen Uniabsolventen. Zu dieser Zeit waren wir zu siebt. Wir mussten vorsichtig sein, weil jeder Mitarbeiter des Commonwealth mit den Offiziellen in Tosu-Stadt in Verbindung steht. Wir wollten unsere Jobs nicht aufs Spiel setzen. Ich bin mir sicher, dass vier der anderen nachts wenigstens schlafen konnten, aber eine, nämlich die Schulleiterin, hatte etwas Gehetztes im Blick, das ich wiedererkannte. Sie bestritt zwar, dass sie unter schlimmen Träumen litt, aber ich war mir immer sicher, dass sie nicht die Wahrheit sagte.«
    »Das kannst du doch gar nicht wissen.« Ich stehe auf und verschränke meine Arme vor der Brust, während ich darauf warte, dass er mir zustimmt. Es ist mir ungeheuer wichtig, dass er mir beipflichtet.
    Dad sucht meinen Blick. »Nein. Aber solange sie für die
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