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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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bekomme ich ihn vielleicht nicht mehr aufs Rad. Ich bezweifle, dass er es überleben würde, wenn ich ihn das letzte Stück ziehen müsste.
    Mit einer Hand versuche ich, Tomas’ besinnungslosen Körper zu stützen, die andere umklammert den Lenker. Mein Arm, meine Muskeln, jeder Teil meines Körpers brennt wie Feuer. Aber ich werde weder dem Schmerz noch der Erschöpfung nachgeben. Meine Beine bewegen sich wie von selbst. Inzwischen sind die wartenden Menschen deutlicher zu erkennen. Ich sehe sie lächeln. Einige blicken besorgt. Sie alle stehen hinter einer weißen Linie: der Ziellinie.
    Ich blende die Offiziellen aus und konzentriere mich ausschließlich auf den Strich, der immer näher rückt, je verbissener ich in die Pedale trete. Wir sind kurz vor dem Ziel, als ich spüre, wie Tomas nach links absackt. Mein verletzter Arm hat nicht genug Kraft, um ihn zu stützen und wieder aufzurichten. Da wir aneinandergebunden sind, reißt er mich mit sich aus dem Sattel, und wir schlagen beide auf dem Boden auf. Ich höre, wie einige Leute mühsam die Luft einsaugen und andere erschrocken aufschreien. Dr. Barnes steht ganz vorn in der Gruppe, und auf seinem Gesicht liegt ein gewisses Interesse. Niemand eilt uns zu Hilfe. Die weiße Linie ist keine zwanzig Meter mehr entfernt, doch die Prüfer bleiben wie angewurzelt dahinter stehen und gaffen uns nur an.
    Ich weiß, dass ich müde und verängstigt bin und dass ich Schmerzen habe, aber in diesem Moment verspüre ich nichts als Zorn, brennend heiß und übermächtig.
    Ich sehe in jedes einzelne Gesicht und schwöre mir, sie für Ryme, Malachi und all die anderen bezahlen zu lassen. Für das Mädchen, dessen Namen ich nicht kenne und dessen Körper ich beerdigt habe. Für die mutierten Menschen in jener Stadt, die ohne ersichtlichen Grund niedergemetzelt wurden. Und für Tomas und diese lausigen zwanzig Meter, die den Prüfern so verflucht wichtig sind, dass sie meinem Freund beim Sterben zusehen würden, und das nach all dem, was er überlebt hat.
    Ich binde das Seil ab und rappele mich auf. Vorsichtig nehme ich unsere Taschen ab, die hinten am Gepäckträger festgebunden waren, hänge sie mir über die Schultern und kehre mit zitternden Beinen zu Tomas zurück. Ich weigere mich, unseren Zuschauern auch nur einen weiteren Blick zu gönnen, und drehe Tomas auf den Rücken. Er stöhnt, als ich meine Hände unter ihn schiebe, aber ich weiß nun, dass er noch lebt. Und das soll auch so bleiben, weshalb ich seine Arme nehme und ziehe. Ich muss mich zurücklehnen, um mein Gewicht als Hebel einzusetzen. Unvorstellbar langsam, Zentimeter für Zentimeter, zerre ich ihn vorwärts. Ich starre auf den harten, schwarzen Asphalt vor uns. Zweimal muss ich Tomas ablegen, um wieder zu Atem zu kommen. Als ich hochschaue, sehe ich einen anderen Kandidaten am Horizont auftauchen. Der Anblick treibt mich weiter.
    Und dann schließlich befindet sie sich unmittelbar vor mir: eine durchgehende schneeweiße Linie quer über dem schwarzen Pflaster. Die Ziellinie. Ein letztes Ziehen. Tomas’ Füße rutschen über die Markierung, und ich sinke neben ihm auf den Boden, als Dr. Barnes’ sonore Stimme verkündet: »Gratulation, Malencia Vale. Du und Tomas Endress, ihr habt die vierte Runde der Auslese bestanden.«

Kapitel 20
    Hundertundacht Kandidaten waren mit der Hoffnung ins Prüfungszentrum gekommen, es bis an die Universität zu schaffen. Nur neunundzwanzig davon sitzen heute wieder im Speisesaal. Man hört jedoch Gerüchte, es bestünde noch immer die Möglichkeit, dass weitere Prüflinge zurückkehren.
    Offizielle haben mir erzählt, dass bereits neun Tage vergangen sind, seitdem ich die weiße Linie überquert und damit die vierte Testrunde bestanden habe. Die meiste Zeit davon war ich ohnmächtig. Es hat sich herausgestellt, dass das Gift in meinem Arm mich in weitaus größere Gefahr gebracht hat, als ich angenommen hatte. Hätte ich nicht den Großteil der toxischen Substanzen aus der Wunde gedrückt, dann wäre ich jetzt tot. Selbst so haben die Ärzte mehrere Stunden dafür gebraucht, sich darüber klar zu werden, welche Wirkstoffe sie in meinen Körper pumpen müssen, um das restliche Gift herauszubekommen. Ein Gerät zur Beschleunigung des Heilungsprozesses hat dafür gesorgt, dass sich die Wunden schließen, konnte aber aufgrund der Schädigung, die die Kontamination meinem Gewebe bereits zugefügt hatte, eine Narbenbildung nicht mehr verhindern. Ich werde für immer von der Auslese

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