Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
mit Tomas eine neue Gegnerin verschafft hat. Zwar wird sie nicht so gefährlich sein wie jemand, der mein Essen vergiftet, um selbst daraus einen Vorteil zu ziehen. Aber wenn ich mir ihre Fingernägel ansehe, finde ich die Entwicklung trotzdem alles andere als beruhigend.
Tomas begibt sich in den hintersten Teil des Gleiters, wo er sich zu den anderen beiden Mitstreitern aus Five Lakes gesellt. Als ich ihm folgen will, fühle ich plötzlich eine Hand an meinem Arm. »Ist alles in Ordnung?«
Michal. Ein besorgter Ausdruck liegt in seinem Blick. Ich lächele ihn an und bin mir der Kamera voll bewusst, als ich sage: »Alles bestens. Es war schön zu sehen, wie die Revitalisierung voranschreitet. Mein Vater wäre beeindruckt.«
Michal schaut kurz zur Kamera, dann erwidert er mein Lächeln. Die Sorgen sind aus seinem Gesicht verschwunden und haben Freude Platz gemacht. Ja. Aus irgendeinem Grund hat sich Michal entschieden, von uns vier Kandidaten aus der Five-Lakes-Kolonie ausgerechnet mir zu helfen. Und ganz offensichtlich ist er der Meinung, dass ich meine Sache gut gemacht habe.
Dann sagt er mir, ich solle mich setzen, und klettert in die Führerkabine. Zandri ist damit beschäftigt, sich mit Tomas über irgendeine Feier zu unterhalten, zu der sie beide vor einigen Wochen eingeladen gewesen waren, während ich mich auf eine der Sitzbänke sinken lasse und spüre, wie sich der Gleiter in Bewegung setzt. Zandri spielt an ihrem Armband herum, auf dessen quadratischem Silberplättchen in der Mitte eine stilisierte Blume eingraviert ist. Dabei beugt sie sich vor, um die Aufmerksamkeit auf den weiten Ausschnitt ihrer Bluse zu lenken. Ich weiß nicht, ob all die anderen Menschen, die uns mithilfe der Kamera beobachten, von Zandris aufreizendem Verhalten abgestoßen sind; mir geht es auf jeden Fall so. Und was viel schwerer wiegt: Ich bin mir sicher, dass ihre Spielchen sie in keinem guten Licht dastehen lassen werden, vor allem, wenn man bedenkt, wie widerstrebend sie sich auf den Weg zur Auslese gemacht hat …
Ich warte eine passende Gelegenheit ab und frage Zandri nach der neuen Windmühle, an deren Bau sie maßgeblich beteiligt war. Ihr Hauptinteresse gilt zwar der Malerei, aber sie hat ein wunderbares Gespür für Symmetrie und Ausgewogenheit. Der Architekt, der unsere Stadt konzipiert hat, hat ihre Fähigkeiten dabei gerne genutzt. Ich wette, die Gravur auf ihrem Armband hat irgendetwas mit ihren Neigungen und ihrem Talent zu tun.
Zandri wirft mir einen verwunderten Blick zu, vermutlich weil ich selbst an dem Projekt beteiligt gewesen bin, aber sie lässt sich die Gelegenheit, über sich selbst zu sprechen, nicht entgehen. Tomas erkundigt sich zunächst ebenfalls nach der Windmühle und bringt dann Malachi dazu, von seinen eigenen Arbeiten und Projekten zu erzählen. Die nächste Stunde verbringen Tomas und ich damit, unsere Mitstreiter zu interviewen, um ihnen zu helfen, vor dem unsichtbaren Prüfungskomitee gut dazustehen. Sie mögen meine Konkurrenten sein, aber sie stammen von zu Hause, und ich werde tun, was ich kann, um uns alle zu beschützen.
Nach und nach gerät das Gespräch ins Stocken, und ich merke, wie ich selbst dagegen ankämpfe, dass mir die Augen zufallen. Es war ein langer Tag. »Warum schläfst du nicht ein bisschen?« Tomas rutscht auf den Platz neben mir und wirft mir ein warmherziges Lächeln zu. »Ich werde dich wecken, wenn irgendetwas Aufregendes geschieht.«
Ich folge seinem Rat und strecke mich auf den Kissen weiter vorn in der Kabine aus. Zwar bin ich mir nicht sicher, wie gut ich wohl schlafen werde, wo ich doch weiß, dass Tomas mich dabei beobachten wird, aber ich mache trotzdem die Augen zu und versuche, mich zu entspannen. Das Letzte, was ich noch höre, ehe die wache Welt um mich herum versinkt, ist Tomas’ Stimme, als er Zandri und Malachi bittet, sich leiser zu unterhalten.
In meinen Träumen spricht mein Vater mit mir. Es ist Dad, so wie ich ihn kannte, ehe ich für die Auslese ausgesucht wurde. Geduldig zeigt er mir, wie man Gene von Pflanzen isoliert. Er führt meine Hände, während ich versuche, seine Bewegungen nachzuahmen, und er sagt mir, es sei ganz typisch, dass die größten Rückschläge den größten Durchbrüchen vorausgehen. Und er schärft mir ein, niemals aufzugeben, ganz gleich was geschieht. Ich solle aus meinen Fehlern lernen, dann würde schon alles gut werden.
»Cia, aufwachen.« Die Hände meines Vaters schütteln mich. Nein. Es ist gar nicht mein
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