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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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Vater. Es ist Tomas. Ich bin nicht mehr zu Hause. Tomas lächelt mich an, als ich meine Augen öffne. »Steh auf. Michal sagt, du würdest das auf keinen Fall verpassen wollen.«
    Michal hat recht. Aus dem Fenster kann ich ein schimmerndes, unvorstellbar klares Gewässer sehen. Nicht einmal das schwächer werdende Licht kann von der ganz offensichtlichen Reinheit des Wassers ablenken. Die fünf großen Seen, nach denen unsere Kolonie benannt ist, wurden ebenfalls gereinigt, aber nicht so erfolgreich wie dieser. Noch nicht. Der Anblick raubt mir den Atem.
    Und dann sehe ich, was die anderen mit glänzenden Augen und offenen Mündern anstarren. Dort vor uns – am jenseitigen Ufer. Silbrige Gebäude. Lichter, die hell genug leuchten, dass man sie aus vielen Meilen Entfernung sehen kann. Das kann nur eines bedeuten: Tosu-Stadt. Wir sind da.
    In der Schule haben wir gelernt, dass Tosu-Stadt vor neunundneunzig Jahren als das erste sichtbare Zeichen dafür errichtet wurde, dass unser Volk die Sieben Stadien des Krieges überlebt hat. Die Vier Stadien der Zerstörung, in denen die Menschen sich gegenseitig bekämpften, und dann die folgenden Drei Stadien , in denen die Erde zurückschlug. Dieses Gebiet wurde ausgesucht, weil der Ort, der hier vor der Errichtung von Tosu-Stadt lag, von den Kriegstreibern als ein unbedeutendes militärisches Ziel betrachtet wurde. Zwar konnte der Ort der Verseuchung des Bodens, den Erdbeben, den Tornados und den Sturmfluten nicht entgehen, aber als sich die Erde wieder beruhigt hatte, stand ein Großteil der Stadt noch immer. Diejenigen, die überlebt hatten, begannen mit dem Wiederaufbau.
    Während wir näher kommen, scheinen die Gebäude größer zu werden. Wie aufregend und beängstigend muss es sein, die Welt von dort oben aus diesen Häusern zu betrachten. Einige Bauten ragen nicht ganz so hoch auf, aber diese niedrigen, vollkommen zylindrischen Häuser aus Stahl und Glas sind nicht weniger beeindruckend. Gebäude neben Gebäude. Ich kann nicht sagen, wie viele von ihnen neu sind oder welche die Kriege überstanden haben. Die einzelnen Bauwerke beginnen zu verschwimmen, und überall sehe ich Menschen. Sie laufen herum. Rennen. Lachen. Eilen. Gleiter und Fahrräder drängen sich auf den Straßen. Altmodische Autos und Scooter. Die meisten Straßen, die wir passieren, sehen ordentlich, sauber und neu aus. Genauso habe ich mir die Stadt vorgestellt, die das Zentrum all unserer Hoffnungen für die Zukunft unseres Landes darstellt. Doch als wir weiterfliegen, fällt mein Blick auch auf andere Straßen, die verdreckter sind und nicht wieder hergerichtet wurden. Die Menschen, die aus diesen Bezirken kommen oder dorthin unterwegs sind, sehen erschöpft und müde aus. Einige wirken ausgehungert. Andere scheinen sich schon seit Wochen nicht mehr gewaschen zu haben, und ich frage mich, was wohl der Grund dafür sein könnte. Aus der Schule weiß ich, dass sich der Großteil unserer Bevölkerung in dieser Stadt konzentriert. Hier leben mindestens hunderttausend Menschen. Bis zu diesem Augenblick hatte ich keine Vorstellung davon, was diese Zahl bedeutet. Jetzt, da es mir klar wird, bin ich überwältigt. Ich spüre, wie Tomas seine Hand in meine schiebt und sie fest drückt. Sein Gesicht ist blass, und seine Augen sind weit aufgerissen. Ich glaube, ich bin nicht allein mit meinem verwirrenden Gefühl der eigenen Bedeutungslosigkeit angesichts dieser Menschenmenge.
    Michal teilt uns mit, dass wir uns sofort zu dem Gebäude begeben werden, in dem die Prüfung stattfinden wird. Wir werden keinerlei Gelegenheit bekommen, die Stadt zu erkunden. Doch mir fällt auf, dass er uns an dem hoch aufragenden Regierungsgebäude vorbeibringt, ebenso an dem abweisenden steinernen Justizgebäude – beides Orte, die Malachi seinem eigenen Bekunden nach gerne sehen wollte. Erst danach steuert Michal den Gleiter durch einen großen Torbogen. Daneben befindet sich ein schmiedeeisernes Schild, auf dem zu lesen ist: UNIVERSITÄT DES VEREINIGTEN COMMONWEALTH.
    Mein Herz macht einen Satz: Wir haben die Universität erreicht. Hier sieht man deutlich, dass die Gebäude alt sind. Roter Backstein. Weiße Verzierungen. Ein Uhrenturm. Einige Häuser bestehen aus Glas, andere aus Stein. Alle strahlen Alter und Weisheit aus. Ich sehe eine große Skulptur: zwei ineinander verschränkte Hände. Sind sie zum Gebet gefaltet? Als Zeichen der Hoffnung? Zandri könnte das wissen, aber ich will sie nicht fragen. Ich will einfach nur alles

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