Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
dafür, dass das Gespräch während der Mahlzeit nicht abreißt. In den kurzen Pausen höre ich die Leute an den anderen Tischen über uns tuscheln. Sie fragen sich, aus welcher Kolonie wir wohl stammen. Einer spekuliert, wir könnten ja aus Five Lakes stammen, aber unter großem Gelächter wird diese Möglichkeit abgetan. Five Lakes ist ein Witz für sie. Der Knoten in meinem Magen wird größer.
Ich verputze alles, was ich mir auf den Teller getan habe, nur den Apfel hebe ich auf. Der Lachs war sicher lecker, aber ich habe mich kaum auf den Geschmack konzentrieren können. Eine andere Gruppe mit sechs Kandidaten ist inzwischen eingetroffen und hat sich an einen Tisch noch weiter hinten gesetzt. Die Neuankömmlinge beeilen sich mit dem Essen, da die Teller von uns anderen bereits von Frauen in weißen Jumpsuits abgeräumt werden. Dann ertönt eine Stimme.
»Willkommen in Tosu-Stadt und herzlichen Glückwunsch, dass ihr für die Auslese ausgewählt worden seid.«
Ich brauche beinahe eine Minute, bis ich herausfinde, wer gerade spricht, denn die Stimme kommt aus Lautsprechern, die in allen vier Ecken des Raumes stehen. Durch die Glasscheibe kann ich die Frau sehen, die uns anfangs begrüßt hat und die nun ein Mikrofon in der Hand hält.
»Hundertundacht von euch haben sich hier versammelt, um sich der Prüfung zu stellen. Höchstens zwanzig werden bestehen und dürfen danach die Universität besuchen. Ich wünsche euch allen viel Glück, damit ihr am Ende zu denjenigen gehört, die erfolgreich waren.«
So sehen also unsere Chancen aus: Nicht einmal jeder Fünfte wird durchkommen. Ein Stimmengewirr erhebt sich um uns herum. Einige klingen selbstbewusst und hochnäsig. Andere sind überrascht von der hohen Zahl der Bewerber für die wenigen Plätze, versuchen jedoch angestrengt, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen.
Die Stimme aus den Lautsprechern fährt fort: »Da jetzt alle eingetroffen sind, wird der Prüfungsvorgang morgen früh beginnen. In zehn Minuten habt ihr euch in den zugewiesenen Schlafräumen einzufinden. Wenn ihr euren Raum noch nicht gezeigt bekommen habt, dann wendet euch bitte an eure Reisebegleitung. Ich rate dringend dazu, euch, so gut es geht, auszuruhen für das, was in den nächsten Tagen und Wochen vor euch liegt. Gute Nacht und viel Glück.«
Michal drückt mir einen Zettel in die Hand, auf dem die Raumnummer steht, und er hält das Papier einige Sekunden länger fest, als es nötig gewesen wäre. In seinen Augen lese ich, dass er mir ebenfalls viel Glück wünscht, und sein Händedruck bestärkt meine Vermutung. Dann geht er weg und lässt mich allein zurück.
Wir eilen aus dem Speisesaal und trennen uns. Die Mädchen gehen nach rechts, die Jungen nach links.
Zandri und ich folgen Malachi und Tomas mit den Blicken, als sie den Flur hinuntergehen. Dann suchen wir nach unseren Räumen. Ich bin in Raum 34, Zandri hat die Zimmernummer 28. Gerade als sie durch die Tür verschwinden will, nehme ich sie in die Arme. Wer weiß schon, was uns morgen bevorsteht? Ich möchte, dass sie gut abschneidet. Überraschenderweise erwidert sie meine Umarmung, und einen Moment lang stehen wir eng umschlungen da. Uns verbinden die gemeinsamen Jahre, die wir miteinander verbracht haben, und die Furcht vor dem, was noch kommen wird. Als wir uns wieder voneinander lösen, lächelt Zandri. »Morgen zeigst du ihnen, was du draufhast, verstanden?«
Ich nicke. »Und du ebenfalls.« Sie dreht sich um und geht in ihr Zimmer; ich selbst mache mich auf die Suche nach Nummer 34. Ein paar Türen weiter finde ich sie. Im Innern höre ich jemanden herumlaufen. Ich hole tief Luft, drücke die Klinke hinunter und schiebe die schwere Holztür auf.
»Hi.« Der Raum ist groß und bietet genug Platz für zwei breite Betten, zwei Schreibtische und einige Stühle. Ich brauche eine Weile, bis ich die Quelle der zarten Stimme ausmache, die mich soeben begrüßt hat, und als ich sie schließlich entdecke, bin ich überrascht. Sie gehört zu einem großen, hübschen Mädchen mit breiten Schultern und langem blondem Haar, das mir ein schüchternes Lächeln zuwirft. »Ich bin Ryme aus der Dixon-Kolonie. Wir teilen uns wohl das Zimmer.«
Ich nicke und gehe ein paar Schritte weiter in den Raum hinein. Die Tür fällt mit einem Klicken hinter mir ins Schloss. »Ich bin Cia aus Five Lakes.«
Auf Rymes Gesicht breitet sich ein strahlendes Lächeln aus. »Das ist ja ein Ding. Beim Essen haben sich alle über Five Lakes
Weitere Kostenlose Bücher