Die Außenseiter
verfolgte das Paar weiter, blieb immer stehen, wenn sie stehen blieben, wandte sich ab und schaute in ein Ladenfenster, wann immer sie zufällig in seine Richtung blickten. Die meiste Zeit über blieb er unsichtbar, ein weiterer Tourist wie sie, der an diesem Nachmittag, an dem die Zeit nur sehr langsam zu vergehen schien, einen Spaziergang im Regen machte. Doch im Gegensatz zu dem Pärchen vor ihm konnte er sich keinen teuren Regenabweiser leisten. Er war schon ganz nass und fühlte sich unwohl in seinem altmodischen Dschungel-Regenmantel.
In gewisser Weise war er tatsächlich ein Tourist, schließlich war er eigens von Golfito hergereist, um das für die Lizenz nötige Geld aufzubringen. Schon früh in seinem Leben hatte er gelernt, dass es besser war, Arbeitsplatz und Zuhause zu trennen. Den Behörden aus dem Weg zu gehen war schon schwer genug, wenn man nicht in der gleichen Stadt lebte wie die Leute, die überaus daran interessiert waren, ihn aufzuspüren. Davon abgesehen, boten sich ihm im geschäftigen San Jose viel mehr Gelegenheiten, das nötige Geld zu beschaffen, als in der kleineren, schläfrigeren Küstenstadt, die er seine Heimat nannte.
Cheelos Anspannung wuchs ein wenig, als er sich gedanklich und körperlich auf den Überfall vorbereitete. Er beschleunigte den Schritt und schloss ein wenig zu dem Touristenpaar auf. Sie waren in eine der malerischen Straßen der Stadt abgebogen, in eine schmale Gasse mit Gehwegen, deren Pflastersteine von Regen und Schuhwerk abgenutzt waren.
Cheelo griff in seinen Mantel, als das Paar unerwartet einen Laden betrat, dessen Inhaber sich auf Holzarbeiten spezialisiert hatte - ein Markenzeichen San Joses. Zum Weitergehen gezwungen, blickte er verstohlen auf die Handarbeiten aus Padouk- und Rosenholz im Schaufenster. Der nächste Laden hatte geschlossen. Ein Weg für Warenanlieferung, gerade breit genug für eine Person, führte zwischen den alten Gebäuden tiefer in den Straßenblock hinein. Er bog in diesen Weg ab, um ein wenig Schutz vor dem Regen zu finden.
Dort wartete Cheelo auf den rechten Augenblick, beugte sich gelegentlich vor und schaute die aufwärts führende Gasse entlang. Niemand benutzte die nassen Steine, die verlassen dalagen. Regen prasselte auf das Pflaster, floh in kleinen Strömen in den nächsten Rinnstein. Falls das Paar wieder auf dem gleichen Weg zurückginge, bliebe ihm nichts anderes übrig, als ihnen wieder zu folgen - wie ein Kaiman, der einem vorsichtigen am Flussufer grasenden Tapir folgt.
Ehe er sich's versah, hörte er gedämpfte Stimmen: drei Stimmen - die des Paars und des Ladenbesitzers. Dann vernahm er Schritte auf dem nassen Gehweg. Sie wurden lauter anstatt leiser. Er ließ die Hand in den Mantel gleiten und schloss die Finger um den Griff seiner winzigen Pistole.
Er wartete den richtigen Zeitpunkt ab, dann trat er unmittelbar vor den beiden aus der schmalen Liefergasse und versuchte, größer auszusehen, als er in Wirklichkeit war. Die beiden Touristen sahen ihn völlig überrascht an.
Jetzt aber schnell, dachte er. Ehe sie nachdenken oder reagieren können! Er streckte die freie Hand aus, die Handfläche nach oben gedreht.
»Brieftasche«, stieß er knapp hervor. Als der große Mann, trotz seines Alters anscheinend gut in Form, zögerte, bellte Cheelo so bedrohlich wie möglich: »Sofort - oder ich leg euch um und nehm sie mir!«
»Martin, gib sie ihm!«, flehte die Frau ihren Mann an. »Wir sind doch versichert!«
Ah, Reiseversicherung, dachte Cheelo, der beste Freund des Gelegenheitsdiebs. »Langsam, damit ich sehen kann, wie du sie rausziehst!« Er stieß die Warnung so Furcht einflößend aus, wie er nur konnte. Der gut gekleidete Fußgänger griff in den Mantel, zog eine Geldbörse aus weichem Kunststoff hervor und reichte sie ihm. Cheelo nahm sie begierig entgegen, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Als er die Beute in die Innentasche seines Hemdes gleiten ließ, richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Frau. Die Gasse war nach wie vor menschenleer. Einige Fahrzeuge brummten oben auf der Hauptstraße vorüber, ihre Insassen achteten nicht auf das Mitleid erregende Drama, das sich vor ihren Wagenfenstern abspielte.
»Geldbörse her!«, befahl er der Frau. »Und den Schmuck!«
Mit zitternden Fingern reichte die Frau ihm zunächst ihre Handtasche aus Metallgewebe, dann einen Ring und zwei Armreife. Nervös sah Cheelo zu dem Laden, den die beiden eben verlassen hatten, dann deutete er herrisch auf die linke Hand
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