Die Außenseiter
aufzuspüren, selbst wenn eine entsprechend ausgerüstete Sonde genau gewusst hätte, wo sie suchen musste. Cheelo kam langsam, aber stetig voran. Im Gegensatz zu Dickicht oder Dschungel, ließ sich unberührter Regenwald relativ mühelos durchqueren. Große Bäume wuchsen in hinreichend großem Abstand zueinander, und das Blätterdach hielt so viel Sonnenlicht zurück, dass das Unterholz auf dem Boden nicht undurchdringlich wuchern konnte.
Der feste Blätterschirm war nicht nur beruhigend, sondern auch wunderschön - durchsetzt von Luftpflanzen und Blumen. Affen raschelten über ihre Baumhighways, und das glockengleiche Trillern der Oropendola untermalte jeden von Cheelos Schritten. Er achtete darauf, die Füße möglichst kräftig und laut aufzusetzen. Wenn er beim Gehen viel Lärm machte und dabei Vibrationen erzeugte, würden die einheimischen Schlangen ihm aus dem Weg gehen. Erfolgreich den Behörden zu entwischen nützte ihm nicht sonderlich viel, wenn er versehentlich auf einen Buschmeister oder eine Lanzenotter träte.
Nachdem Cheelo seinen Lagerplatz sorgfältig nach Ameisen abgesucht hatte, ließ er sich zwischen den Brettwurzeln eines üppig wuchernden Baums nieder und richtete sich für die Nacht ein. Sein Zelt war leider auf dem Boot, doch im Rucksack hatte er noch eine leichte, strapazierfähige Notfalldecke. Eine Wurzel wuchs seitlich vom Baum fort und neigte sich leicht dem Boden zu, sodass sie eine Art natürlichen Überhang bildete, der im Verein mit der Decke einen hervorragenden Schutz vor dem Abendregen darstellte. Nur gut, dass ich nicht in der Regenzeit hergekommen bin, dachte er. Ohne ein Boot wäre er dann hilflos gewesen, gefangen zwischen Hochwasser führenden Flüssen und Seen, außerstande, das dazwischen liegende, zu Schlamm gewordene Land zu überqueren. Dass er trotz des leichten Regenmantels, den er nun aus dem Rucksack zog, nass werden würde, war unvermeidlich: Schließlich war er absichtlich in den größten Regenwald der Welt geflohen. Wenigstens würde er nicht ertrinken, und solange er fischen konnte, auch nicht verhungern. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was er getan hätte, wenn die zusammenklappbare Angelrute auf dem Boot gewesen wäre.
Am nächsten Morgen fing er mühelos mehrere kleine Fische aus einem ansehnlichen Teich. Mit seinem Gürtelmesser weidete er die Fische aus und filetierte sie. Sein Lagerkocher war auf dem Boot, und es stand außer Frage, ein Feuer zu entfachen. Selbst wenn er im dunstigen Wald genügend Holz fände, das sich anzünden ließe, wäre es noch so feucht, dass es nicht lange brennen würde, oder so verrottet, dass es ihm in den Händen zerfiele. Zudem konnte er nicht riskieren, dass der dabei entstehende Rauch seine Position verriet.
Während er den Fisch roh verspeiste, wünschte er sich einige Limonen oder Zitronen herbei. Diese Früchte wuchsen nicht im Regenwald, daher würde er das Aroma von Ceviche wohl erst wieder auf der Zunge schmecken, wenn er wieder in einer Stadt wäre. Doch auch roher Fisch würde ihn stärken. Mit den wenigen verbliebenen Vorräten im Notfallkit des Rucksacks würde er noch eine Weile durchhalten. Zumindest, dachte er mit grimmigem Lächeln, wird mich das Gewicht der Vorräte nicht am Vorwärtskommen hindern.
Er hängte sich den Traggestell-Rucksack um und marschierte los, zwischen den Bäumen hindurch, wobei er sich stets auf dem am höchsten gelegenen Untergrund fortbewegte. Seine Füße blieben warm und trocken, denn seine Stiefel erzeugten ein Kraftfeld, das Schlamm und Feuchtigkeit abhielt. Er war froh, beim Kauf seiner Ausrüstung nicht am falschen Ende gespart zu haben. Dennoch vermisste er sein Zelt.
Andererseits könnte seine Lage auch schlimmer sein, etwa, wenn er sich beim Sturz aus dem Boot nicht den Rucksack, sondern etwas anderes geschnappt hätte. Er wollte gar nicht daran denken, was er ohne den Rucksack anfangen hätte. Ihm wäre nichts anderes übrig geblieben, als sich von den Reservat-Rangern retten zu lassen, in der Hoffnung, dass niemand sein Gesicht mit dem in Verbindung brachte, das mittlerweile zweifellos überall auf der Welt auf den Polizei-Steckbriefen zu sehen war.
Der Insektenabweiser im Rucksack hielt die Schwärme aus heißhungrigen Insekten in Schach. Er konnte sie sehen, hörte sie summen und klicken und zirpen, während sie um ihn herum flogen oder krabbelten, unfähig, die elektronische Schutzsphäre zu durchdringen, in deren Mitte eine warme, pulsierende, mit Blut
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