Die Außenseiter
das nicht genug Inspiration? Eine völlig neue Welt, die du erforschen kannst?«
»Sie ist wundervoll«, pflichtete Desvendapur ihm bei, »aber ich will nicht nur mit meinen, sondern lieber mit Ihren Augen sehen - so sonderbar sie auch sind. Verstehen Sie? In Ihrer Gesellschaft erlebe ich alles doppelt: So, wie ich es wahrnehme, und so, wie Sie es sehen.«
»Tja, dann du wirst diese Welt hier wohl mit deinen eigenen Sinnen erforschen müssen! Ich hab nicht gern Gesellschaft.« Zum zweiten Mal wandte er sich ab.
»Wenn Sie mich nicht mitnehmen wollen, werde ich Sie den hiesigen Menschenbehörden melden«, drohte der Dichter schnell.
Diesmal grinste Cheelo wölfisch. »Nein, das wirst du nicht tun! Weil du nämlich auch nicht hier sein darfst. Deine kleine Forschungsexpedition hat ihre Antennen weit, weit über das Areal hinausgestreckt, in dem sich außerirdische Besucher offiziell aufhalten dürfen. Das weiß sogar ich. Du darfst dich hier nicht herumtreiben. Eigentlich müsste ich dir drohen, dich zu melden!«
Desvendapur dachte nach. »Warum tun Sie es dann nicht?«
»Das weißt du schon. Weil ich mich dann selbst verraten würde. Ich darf mich hier nicht aufhalten und du auch nicht. Also kann keiner von uns riskieren, den anderen zu melden. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich dir erlaube, mir zu folgen!«
»Mir wäre es lieber, wenn Sie kooperieren würden.« Die Fühler des Thranx kamen nie ganz zur Ruhe, wie Cheelo bemerkte. »Aber notfalls folge ich Ihnen und beobachte von weitem, wie Sie sich hier im Wald verhalten.«
»Nein, das wirst du nicht tun.« Der große Mensch tätschelte sein Holster. »Denn wenn du das machst, verspritze ich deine Insekteninnereien im ganzen Regenwald.«
Der Außerirdische neigte den herzförmigen Kopf und sah die Waffe an. »Das ist aber ein sehr aggressives Verhalten für jemanden mit naturwissenschaftlicher Profession!«
»Wir alle haben unsere Charakterschwächen.« Cheelo presste die Lippen zusammen, sodass sie wie ein schmaler Strich wirkten.
Der bedrohliche Gesichtsausdruck des Menschen beeindruckte den nachdenklichen Desvendapur nicht im Mindesten, die Worte des Zweifüßers hingegen schon. Ob dem Menschen bewusst war, wie Recht er mit seiner letzten Bemerkung hatte? Des bezweifelte es.
»Sie werden mich nicht erschießen. Wenn ich mich nicht in bestimmten Abständen bei meinen Stockgefährten melde, werden sie mich suchen kommen. Wenn sie sehen, wie ich ums Leben gekommen bin, machen sie Jagd auf Sie!«
»Das Risiko gehe ich ein.« Cheelos Finger zuckten zum Holster. »Wenn deine Kumpels deine Überreste identifizieren können, nachdem die Kaimane und Piranhas mit dir fertig sind, sind sie die besten Pathologen, von denen ich je gehört hab.«
Desvendapur musste ihn nicht erst bitten, ihm diese Bemerkung näher zu erklären. Er kannte die beiden heimischen Raubtierarten, die der Mensch erwähnt hatte, aus seinen Studien. »Woher wollen Sie wissen, dass Ihre einheimischen Fleischfresser meinen Körper schmackhaft finden? Sie werden mich ignorieren. Meine Leiche wird auf dem Wasser treiben, bis jemand sie findet. Dann werden meine Gefährten mich schonungslos und grausam rächen.«
Das stimmte nicht, wie Desvendapur genau wusste. Seine Gefährten würden sich nur um eines kümmern: seine Leiche zu beseitigen, damit keine anderen Menschen sie fänden und unangenehme Fragen stellten. Doch das wusste der Zweifüßer nicht. Ich nehme an, er weiß nicht mehr über uns Thranx, als ich ihm verrate, dachte Des.
Mensch und Thranx musterten einander, beide außerstande, die wahren Absichten des anderen zu durchschauen - ein Problem, das auch zwischen ihren Spezies im Allgemeinen bestand. Beide waren sie nicht zur interspeziären Kontaktaufnahme ausgebildet worden. Sie handelten rein emotional und instinktiv und machten ihr mangelndes Wissen über den anderen wieder wett, indem sie Erfahrung sammelten, immer mehr über den anderen lernten.
»Also schön.« Cheelo nahm widerwillig die Hand von der Waffe. »Vielleicht erschieße ich dich nicht. Aber trotzdem bin ich nicht damit einverstanden, dass du mir folgst!«
»Wieso nicht? Wenn Sie es mir gestatten, werde ich Sie nicht stören. Sie können Ihre Forschungen fortsetzen und so tun, als wäre ich gar nicht da. Ich will Sie nur beobachten, Aufzeichnungen machen und dichten.«
Meine Forschung fortsetzen, dachte Cheelo. Das Einzige, wonach er forschte, war, wie er der Polizei immer einen Schritt voraus sein
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