Die Außenseiter
konnte. Ein achtbeiniges Insekt würde ihm dabei keine Hilfe sein.
Doch obwohl der hart gepanzerte Dichter von einer anderen Welt stammte, schien er recht viel über den Regenwald zu wissen. Er hatte erwähnt, dass er die Gegend studiert habe. Und auch wenn das kein Vorteil war, wäre es zumindest nicht hinderlich. Jetzt, wo Cheelo darüber nachdachte, kam ihm ein interessanter Gedanke: Falls die Polizei ihn doch aufspüren sollte, könnte er behaupten, dass er einen geheimen Vorposten der Außerirdischen entdeckt habe - natürlich erst, nachdem er das Insekt erschossen hätte, damit es seine Geschichte nicht dementieren konnte. Wenn er den Thranx weder mit Drohungen noch mit seiner Überredungskunst loswerden konnte, musste er wenigstens eine Möglichkeit finden, einen Vorteil daraus zu ziehen. Das war etwas, worin Cheelo Montoya schon immer gut gewesen war.
»Da hast du wohl Recht«, brummte er deshalb letztendlich. »Ich kann dich nicht davon abhalten, mir zu folgen. Und obwohl ich dein Geschwafel von deinen Insektenfreunden, die dich rächen werden, nicht so ganz glaube, will ich es nicht riskieren, dich umzulegen. Jedenfalls nicht jetzt gleich. Komm mir einfach nicht in die Quere und mach deine Aufzeichnungen oder Gedichte oder was auch immer so lautlos wie möglich, klar!«
»Ich werde mich praktisch in nichts auflösen«, versicherte Desvendapur ihm erfreut und sehr erleichtert.
Zu dumm, dass du das nicht wirklich machst!, schoss es Cheelo durch den Kopf. Vielleicht würde der Außerirdische in einem Fluss ertrinken oder sich ein paar Beine brechen und zurückfallen. Dafür könnte man Cheelo nicht verantwortlich machen. Vielleicht böte sich ihm ja schon bald die Gelegenheit, einen solchen ›Unfall‹ herbeizuführen. Falls nicht, nun, hatte das Insekt nicht gesagt, dass es nur einen Monat Zeit hatte, um seine Arbeit zu erledigen? Cheelo müsste den Regenwald ohnehin schon früher verlassen und die Rückreise nach Golfito antreten.
Wie schnell konnte ein Thranx laufen? Wie ausdauernd war er? Wenn der vielgliedrige Poet erst versucht haben würde, dem flinken, hartgesottenen Dieb ein oder zwei Tage lang zu folgen und mit ihm Schritt zu halten, würde er vielleicht beschließen, sich seine Inspiration auf weniger ermüdende Weise zu suchen. Cheelo würde ein ordentliches Tempo vorlegen, jawohl!
»Na, dann komm mal mit!« Er drehte sich um, machte eine Handbewegung - und erstarrte mitten in der Bewegung. Als er den Kopf wandte, war ihm die Unsicherheit vom Gesicht abzulesen; prüfend sog der Mensch die Luft ein. Er schnüffelte! Für Desvendapur, der Gerüche mit seinen Antennen wahrnahm, war das ein faszinierender Anblick, dem er einige originelle und höchst bizarre Strophen widmen würde.
»Was ist los? Was tun Sie da?«
»Ich riech was. Ist doch wohl klar, oder?« Als Cheelo weder im Gesicht des Außerirdischen noch sonst wo auf dessen Körper etwas entdeckte, das wie Nasenlöcher aussah, fügte er knapp hinzu: »Nein, das ist dir wohl nicht klar. Ich atme die Luft ein, um Gerüche wahrzunehmen. Genauer gesagt, hab ich gerade einen ganz bestimmten Geruch in der Nase.«
Desvendapur sträubte die Federn, mit denen seine Antennen besetzt waren, damit so viel Luft wie möglich zwischen ihnen hindurchströmen konnte. »Und was riechen Sie?«
Als Cheelo sich umdrehte, stellte er fest, dass die Geruchsspur zu dem fremdartigen Außerirdischen mit dem Ektoskelett führte. Es bestand kein Zweifel mehr, woher der schwache, anregende Geruch kam. »Ich rieche dich.«
Der Thranx musterte den großen Zweifüßer misstrauisch. »Und woran erinnert mein Geruch Sie?«
Als Cheelo schnüffelte, sah Desvendapur, wie sich die beiden Öffnungen im Gesicht des Menschen widerlich ausdehnten und wieder zusammenzogen.
»An Rosen. Oder vielleicht Gardenien. Weiß nicht genau. Könnte auch Jasminblüte sein. Oder Bougainvillea.«
»Was sind diese Dinge?« Des war bei seinen Studien auf keinen der Namen gestoßen, die der Mensch genannt hatte.
»Blumen. Du riechst nach Blumen. Ein starker Duft, aber nicht aufdringlich. Das ... das hatte ich nicht erwartet.«
Desvendapur blieb auf der Hut. »Ist das etwas Gutes?«
»Ja.« Der Mensch lächelte - unfreiwillig, wie man ihm deutlich ansah. »Das ist etwas Gutes. Falls ich überrascht wirke, liegt das daran, dass ich wirklich überrascht bin. Insekten riechen normalerweise nicht nach Blumen. Sie stinken.«
»Ich bin kein ›Insekt‹! Wenn ich mich recht erinnere, ist das
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