Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June

du ganz genau.
    April zuckte die Schultern und kehrte mir den Rücken zu. »Friss oder stirb«, sagte sie.
    Â»Ein ganz tolles Vorbild bist du!«, rief ich ihr hinterher, als sie mit dem Autoschlüssel in der Hand in Richtung Garage entschwand.
    Â»Danke für die Blumen. Soll ich dich in die Schule mitnehmen?«
    Â»Nee danke, ich laufe lieber«, ließ ich sie abblitzen.
    April musterte amüsiert meine kniehohen Stiefel mit Absatz, die nur unwesentlich bequemer waren als die Ballerinas von gestern. »Viel Spaß in den Schuhen!«
    Â»Na und? Supermodels spazieren jeden Tag mit 15 Zentimeter hohen Absätzen über den Laufsteg. Da werd ich das ja wohl überleben.« Dann schwang ich meine Haare über die Schulter und versuchte dabei auszusehen wie Mariah, die vermutlich noch nie mit einem herauswachsenden Pony zu kämpfen hatte. Sie konnte ihre Haare wahrscheinlich durch pure Willenskraft dazu bringen, toll auszusehen.
    Â»Hast du irgendwie Zuckungen?«, erkundigte sich May, als sie die Treppe herunterkam und dabei ungefähr 500-mal so leidend aussah wie vorher, was ich echt nicht für möglich gehalten hätte. Ihre straßenköterblonden Haare hatten kein bisschen Halt oder Volumen, und ihre Haut sah derart blass aus, dass sie sich wohl mal über Anämie informieren sollte. Ich hätte ihr glatt meine getönte Tagescreme angeboten, wenn die nicht so teuer wäre.
    Also sagte ich nur: »Was denn für Zuckungen?«
    Â»Na deine. Das, was du mit deinen Haaren machst.«
    Â»Ich schleudere sie gekonnt«, klärte ich sie auf.
    May stöhnte auf. »Salat schleudert man vielleicht, aber Haare?«
    April klimperte noch mal mit ihrem Autoschlüssel. »Okay, zum letzten Mal: Will jemand mit zur Schule fahren?«
    Â»Wieso fährst du eigentlich so früh los?«, wollte May wissen und langte in die Bageltüte. Sie runzelte die Stirn und äugte dann hinein. »Igitt, wie kommt denn der Bagel mit Zwiebeln hier rein? Wenn einer davon drin ist, schmecken alle nach Zwiebel.«
    April war lange genug abgelenkt, um nicht mehr richtig aufzupassen. Jetzt konnte ich in ihr Hirn schwirren wie eine Biene. Wie eine empörte Biene. Wie eine Biene, die stinksauer ist.
    Â»Oh-oh«, verkündete ich kurz darauf hämisch. »Ich weiß, warum April so früh in die Schule will.«
    Â»Klappe, June.«
    May ließ höchst interessiert ihren Blick von mir zu ihr und wieder zurück wandern. »Ja, warum?«
    Â»Sie will so zeitig da sein, damit sie Juuuuulian nicht treffen muss.« Ich grinste sie breit an und wich ihr rechtzeitig aus, damit sie mich nicht schlagen konnte.
    May grub die Zähne in ihren Bagel und biss ein riesiges Stück ab. »Tatföschlisch?«, fragte sie mit vollem Mund. »If bachte, bu wiebst ihn.«
    Â»Nee, nix Wiebe«, fauchte April. »Ich fahr jetzt in die Schule und könnte euch mitnehmen. Obwohl ich mir das vielleicht noch mal überlegen sollte.«
    Â»Wenn dein Hirn rot anlaufen könnte, dann wär es jetzt so weit«, sagte ich. »Du bist derart transparent, dass es schon debil ist.«
    May schluckte. »Wo hast du denn diese ganzen Wörter her?«, wollte sie wissen. »Also, echt jetzt mal. Letzte Woche bist du kaum über Zweiwortsätze rausgekommen, und jetzt machst du plötzlich einen auf Eloquenz und solches Zeug?«
    Ich zuckte nur die Schultern. Sinnlos ihr zu erzählen, dass mein neuer Banknachbar in Bio bei ’nem Rechtschreibwettbewerb mitmachen will. Michael kennt Tausende von Wörtern mitsamt Bedeutung und käut sie pausenlos im Kopf wider. Bei seinem Tempo könnte ich mich zu diesem Rechtschreibding wahrscheinlich gleich selbst anmelden.
    Ich starrte April weiter wütend an, und sie starrte wütend zurück. »Wir haben wohl alle unsere kleinen Geheimnisse«, stellte ich fest.
    Â»Sieht ganz so aus«, zischte April.
    Drei Chinesen mit dem …
    Ich warf ihr einen letzten vernichtenden Blick zu und holte meinen iPod und meine Tasche. Da sie so klein war, dass nicht alle Bücher reinpassten, musste ich ein paar davon extra nehmen. »Schon gehört? Es gibt da neuerdings diese Dinger. Rucksäcke heißen die«, kommentierte May auch prompt, als sie sah, wie ich meine Bücher zusammenpackte. »Solltest du mal testen.«
    Â»Damit ich aussehe wie die Streberbraut da drüben?«, konterte ich und nickte in Richtung