Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June
April. »Nee danke, da schlepp ich meinen Kram lieber einzeln.«
»Schon klar«, lachte April. »Also, willst du nun mitfahren, May?«
Mays Gedanken kamen zu mir herübergeschwebt. Eigentlich sollte ich lieber mit June zu Fuà gehen, aber â¦
»Ich bin nicht 4, sondern 14!«, fuhr ich sie an. »Du brauchst nicht auf mich aufzupassen!«
»Hör auf, meine Gedanken zu lesen«, entgegnete May gefasst. »In meinem Hirn lauern gar grässliche Sachen. Mancher kommt da nicht lebend wieder raus.«
»Du bist ja so was von gestört.«
»Oh vielen Dank.«
April räusperte sich. »Der Bus â fährt übrigens gleich los.«
»Ciao«, sagte ich beleidigt.
»Vaya con Dios«, gab mir May mit auf den Weg und griff nach ihrer Schultasche.
April zuckte die Schultern. »Mach was du willst, June. Viel Spaà jedenfalls beim In-die-Schule-humpeln.«
Wie ich es hasse, wenn sie recht hat.
Schmerzhafte 20 Minuten später hinkte ich mit der Eleganz eines fuÃlahmen Elchs in meine erste Stunde, Bio. Supermodels tun den ganzen Tag nichts anderes, sagte ich mir und lieà mich auf einen Stuhl fallen. Keep smiling, auch wennâs wehtut. Du kriegst das hin.
Wenn ich eins gut konnte, dann war es, etwas hinzukriegen. SchlieÃlich musste es ja irgendeinen Sinn haben, ständig zwei nervige Schwestern zu ertragen.
Der Unterricht war todlangweilig, trotz meiner paranormalen Fähigkeiten. Lehrergedanken zu lesen war langsam auch nichts Neues mehr, weil sie nur an lauter banales Zeug dachten: Einkaufen, Kinderabholen oder wie man zwei parallele Geraden halbiert. Manchmal erinnern die Gedanken anderer an ein verstaubtes Zimmer â vor allem morgens um acht. Gähnend lehnte ich mich zurück und notierte mir den Stoff, kurz bevor er tatsächlich diktiert wurde. Damit verstieà ich zwar sicher gegen sämtliche von Aprils dämlichen Regeln, aber egal.
Yeah, zum ersten Mal in meinem Leben war die Schule der reinste Kinderkram. Was aber ein ziemlich belämmertes Dilemma war. Ein bisschen Spannung ist mir nämlich tausendmal lieber als Kinderkram.
In der Frühstückspause reichte es mir dann erst mal für den Tag. Vielleicht könnte ich mich ja zusammen mit May vom Schulgelände verdrücken oder mir zumindest von ihr eine Entschuldigung schreiben lassen, dass ich wegen Ãbelkeit oder so was nach Hause musste. SchlieÃlich gab es in ihren Gedanken bestimmt genug zu lesen, was für eine kleine Erpressung reichen würde. Das wäre â¦
⦠raus hier.
Ich wirbelte herum und erwischte dabei mit meinen Haaren fast ein Mädchen aus der Zehnten. »Oh, sorry«, entschuldigte ich mich, um dann festzustellen, dass es Avery war â die Tussi aus dem Technikmarkt, die beinahe auf unserer Motorhaube gelandet wäre und deren Haare mal ein bisschen Tiefenpflege gebrauchen konnten. Sie sah einigermaÃen entsetzt aus, dass ich überhaupt mit ihr redete, aber das war ja auch kein Wunder. »Ãh, das war alles nur wegen meiner Schwester«, murmelte ich hastig. Aber dann sah ich Mariah durch die Tür verschwinden und rannte hinterher, um sie einzuholen.
Ich hastete den Gang entlang, um die Ecke und nach drauÃen, wo sie mit Jessica und Daphne unter einem Eukalyptusbaum stand. Sie lieÃen gerade eine Wasserflasche kreisen. Jessica hatte ihre Haare zu einem derart hohen Pferdeschwanz gebunden, dass es schon tragisch aussah, während Daphne beim Augenbrauenzupfen ein bisschen zu brutal gewesen war und jetzt dauerüberrascht guckte.
Beide sahen nicht unbedingt vorteilhaft aus. Ich mein ja nur.
Ich überlegte gerade, ob ich zu ihnen hingehen sollte oder nicht, als ich wieder Mariahs Gedanken aufschnappte. Hey, ist das nicht die mit dem Kalendernamen?
Sie hat mich erkannt!
Also los.
»Hi«, sagte ich und ging auf sie zu, wobei ich weder Jessica noch Daphne eines Blickes würdigte. Mit ihren Gedanken hatte ich schon einmal Bekanntschaft gemacht, und ehrlich gesagt genügte mir das fürs Erste. »Was geht?«
»Nichts«, antwortete Mariah. »Wie gehtâs denn deiner Kalender-Schwester?« Sie schaute in die Runde. »Ihre Schwestern heiÃen doch tatsächlich April und May. Wie bescheuert ist das denn?«
Ich sagte nichts dazu, denn das war in der Tat ziemlich bescheuert. Da hatten meine Eltern zumindest bei mir einiges wiedergutzumachen.
»Und wie heiÃt du jetzt?
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