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Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June

Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June

Titel: Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Benway
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gelesen, aber ich konnte mich echt an nichts erinnern – nur, dass irgendwie von Schatten die Rede war und von aneinandergeketteten Leuten.
    Das Problem ist das: Ich weiß ja, dass ich hier als Musterschülerin gelte, und es stimmt ja auch, ich mag Schule und solche Sachen. Aber manchmal wünsche ich mir so sehr, auch mal was zu vergeigen. Ich würde gerne einfach aufstehen und in die Runde schreien: »Wozu lesen wir den ganzen Kram hier eigentlich? Wieso muss dieser Platon ständig mit seinen Gleichnissen ankommen? Warum kann denn keiner einfach sagen, was er meint?«
    Ich gebe zu, dass ich wahrscheinlich nicht ganz objektiv bin, aber trotzdem. June kann ja so ein Glückspilz sein. Von ihr erwartet keiner besondere geistige Fähigkeiten, und was passiert? Sie kann Gedanken lesen und produziert Geistesblitze. So viel Ironie haut mich um.
    (Natürlich wusste ich schon, dass ich auf den Aufsatz, den ich noch schreiben musste, 94 Prozent bekomme, aber darum geht es hier nicht.)
    Unsere Mom war längst auf und trank am Küchenfenster ihren Tee, als ich am frühen Morgen auf Zehenspitzen die Treppe runterschlich.
    Sie steht immer lange vor uns dreien auf – um ein bisschen Zeit für sich zu haben, wie sie sagt. Aber angefangen hat das erst, nachdem Dad ausgezogen war. Ich nehme an, seit er weg war, hatte sie plötzlich viel mehr Zeit, und die musste sie irgendwie rumkriegen, damit ihr der Tag nicht zu lang wird.
    Als ich sie sah, tat ich das, was ich inzwischen jeden Tag machte, seit ich Hellseherfähigkeiten hatte: Ich checkte den Tag meiner Mutter auf potenzielle Dramen durch. Ich hielt Ausschau nach etwaigen Aneurysmen, Schlaganfällen, scharfen Gegenständen, gefeuerten Kollegen, die ins Büro zurückkommen und zum Abschied noch mal Amok laufen. Ich fahndete nach allem Möglichen und fand wie immer gar nichts.
    Dasselbe tue ich auch jeden Tag mit meinen Schwestern. Ich weiß schon, dass ich nicht alles vorhersehen kann, aber ich versuche es wenigstens. Ich hab nur eben keine Ahnung, was ich tun soll, wenn ich wirklich mal was Schlimmes kommen sehe. Das versuche ich mir lieber nicht vorzustellen.
    Aber der Tag meiner Mutter sah ausgesprochen banal aus, so wie die anderen Tage auch: Arbeit, Einkaufen, Rechnungen. Und als sie mich sah und lächelte, lächelte ich zurück und war froh, etwas zu haben, über das ich lächeln konnte.
    Â»Morgen«, sagte sie. »Du bist ja schon früh auf den Beinen heute. Willst du auch einen Tee?«
    Â»Ist der mit Koffein?«
    Â»Nein. Nur Kräuter und ganz natürlich. Sehr gesund.«
    Â»Nee danke. Schmeckt mir zu sehr nach Goldfischfutter.«
    Â»Dachte ich mir schon.« Sie nahm noch einen Schluck und stellte die Tasse ab. »April? Ich wollte dich mal was fragen.«
    Mist. Weshalb war das bei meinem Problem-Check nicht aufgetaucht? Auf so ein Gespräch, auf so eine Alles-in-Ordnung-mit-euch-Dreien-Befragung hatte ich nämlich überhaupt keine Lust. Die Sorte Gespräch hatte ich nun schon ein paarmal mit Mom und einmal mit Dad am Telefon durch. Er musste sich ständig räuspern, und ich weiß noch, dass ich gerne vorab gewusst hätte, was er sagen will, weil ich in den peinlich langen Gesprächspausen fast gestorben wäre.
    Tipp von mir: Immer schön vorsichtig mit dem, was ihr euch wünscht.
    Â»Ich komm prima klar, Mom«, sagte ich und fing an, eine Apfelsine zu schälen. »Ich schwör’s. Wir kommen alle prima zurecht, ich und May und June.«
    Â»Klar, weiß ich doch«, sagte sie. »Ihr seid großartig, ihr Mädels. Es ist nur, dass … Mir ist nur aufgefallen, dass May offenbar immer öfter verschwindet.«
    Ich ließ die Apfelsine fallen und wirbelte fassungslos herum. »Was?« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Dir ist was aufgefallen?«
    Na toll, das war’s dann wohl. Ich bin offenbar der lausigste Hellseher, den die Welt je gesehen hat. Ich wette, diese übersinnlich veranlagte Katze auf der Third Street Promenade kriegt das besser hin als ich.
    Â»Ich finde«, fuhr meine Mom fort und strahlte exakt die Ruhe aus, die mir gerade fehlte, »dass sie sich in letzter Zeit ziemlich oft in ihrem Zimmer verkriecht.«
    Oh.
    Â»Oh«, sagte ich. Ȁh, ja, weiß auch nicht. Du weißt doch, wie May ist. Manchmal ist sie eben ein bisschen komisch. Sie braucht ihren Freiraum.«
    Â»Ja, das war schon

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