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Die Aussortierten (German Edition)

Die Aussortierten (German Edition)

Titel: Die Aussortierten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Brandes
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kritische soziologische Analyse des Bildungsbürgertums geschrieben. Diese Arbeit, das kannst du mir glauben, war wirklich auf hohem Niveau und eine exzellente Forschungsleistung. Eben weil ich ursprünglich nicht aus diesem Milieu komme. Ich Idiot habe das wissenschaftliche Selbstverständnis, das uns über Jahre an der Uni gepredigt wurde, tatsächlich für bare Münze genommen und geglaubt, dass man mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Mentalität des gegenwärtigen Bildungsbürgertums sich tatsächlich wissenschaftliche Meriten erarbeiten kann. Das ist natürlich voll in die Hose gegangen. Auch die Uni funktioniert wie die übrige Gesellschaft: Gefragt sind die Konformisten, die das System nie in Frage stellen. Mit anderen Worten: Meine Doktorarbeit wurde mäßig bewertet und mein Doktorvater dachte gar nicht daran, mich mit Empfehlungen zu fördern. Damit war eine Karriere an der Uni für mich gestorben. Ich habe mich dann mit Lehraufträgen und sonstigen Jobs über Wasser gehalten. Unter anderem auch mit einem Lehrauftrag an der Polizeischule. Und weil ich kein Talent zum Märtyrer habe und das Leben genießen will, habe ich die Chance ergriffen und bin Bulle geworden. Das war gar nicht schwierig. Schließlich habe ich als Sohn eines Bullen den notwendigen Stallgeruch. Soziologisch gesprochen: Den passenden Habitus. Und ich bin lieber Bulle, als arbeitslos. Auch wenn ich oft genug denke, dass es umgekehrt vielleicht doch besser wäre. Aber Arbeitslose werden in unserer Gesellschaft wie der letzte Dreck behandelt. Dann lieber doch korrupt und Bulle.“
     
    „Muss ja nicht zwangsläufig ein und dasselbe sein“, sagte Djallo leise.
     
    “Wollen wir’s hoffen“, antwortete de Wall.
     
    Danach war erstmal Schweigen zwischen beiden. De Wall startete den Wagen. Die ganze Fahrt bis zu Bretendorp wechselten sie kein Wort mehr.
     
    Bretendorp bewohnte eine Villa Unter den Eichen, direkt gegenüber dem Eversten Holz. Seine Villa fiel selbst unter prachtvollen großbürgerlichen Villen, die in diesem Viertel Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurden, auf. Die Villa hatte einen weißen Anstrich. Der Eingangsbereich hatte einen überdachten Treppenaufgang. Die erkerhafte Überdachung wurde von zwei Säulen getragen. Es war eine wunderschöne Villa mit einem fantastischen Grundstück, einen großen Garten, und alles umgeben von einem Zaun, hinter dem wiederum eine große Hecke den direkten Blick auf die Villa versperrte. Man konnte wirklich kaum schöner wohnen. De Wall schätzte, dass die Villa mit dem Grundstück gut und gerne 10 Mio. Euro wert sein dürfte. Aber das war eine aus der Luft gegriffene Schätzung ohne wirkliches Hintergrundwissen über die Oldenburger Immobilienpreise. Als de Wall mit Djallo das Grundstück betrat, konnte er sogar verstehen, dass Bretendorp stinksauer war. Denn die wunderschöne Villa war durch einen riesigen aufgesprayten Text wirklich in ihrer Ästhetik ruiniert. Die Aussortierten hatten folgenden Text auf die Wand der Villa gesprayt:
     
    Hier wohnt der Chef der organisierten Kriminalität von Oldenburg, Bankvorstand Dr. Karl-Heinz Bretendorp.
     
    Beste Grüße von den Aussortierten
     
    Bretendorp hatte sie beide schon ungeduldig erwartet und war so aufgeregt, dass er sogar vergaß, de Wall und Djallo förmlich zu begrüßen. „Schauen Sie sich mal diese Schweinerei an! Keinen Respekt vor Eigentum! Dieses Hartz-4-Gesockse gehört hinter Gittern.“
     
    De Wall wollte schon was erwidern, aber konnte sich noch gerade zusammenreißen. Nein, er würde sich nicht von Bretendorp dazu verleiten lassen, seine Sympathie mit den Aussortierten durchschimmern zu lassen. Wobei sich seine politische Sympathie mit den Aussortierten dieses Mal deutlich in Grenzen hielt, denn de Wall war durch und durch Ästhet und musste fast körperlich leiden unter dieser Verunstaltung der Villa. Er und Djallo nahmen alle Informationen auf, machten ausgiebig Fotos und nahmen einige Lackproben für die KTU. De Wall brachte es sogar fertig, so freundlich mit Bretendorp umzugehen, dass Djallo wiederum es nicht fassen konnte. Solle sein neuer Chef vielleicht doch ein Streber und Schleimer sein, fragte sich Djallo.
     
    „Sie haben etwas übrig für schöne Architektur?“ fragte Bretendorp.
     
    De Wall antwortete wahrheitsgemäß und ergriffen in säuselndem Ton „Ich liebe anspruchsvolle Architektur, Herr Dr. Bretendorp.“ Bretendorp fühlte sich offensichtlich geschmeichelt und lud beide zu

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