Die Aussortierten (German Edition)
ran!“. Aber das Telefonklingeln ging weiter. De Wall fiel ein, dass er gestern seinen Anrufbeantworter ausgeschaltet hatte. Nach dem achten Klingeln schließlich riss de Wall der Geduldsfaden. Er ging an den Apparat.
„Welcher Idiot ruft um diese Zeit an?“ bellte er in den Telefonhörer.
„Tut mir leid Uli, es ging nicht anders. Mich haben sie eben auch schon aus dem Bett gescheucht.“
Tauber war am Apparat, aber seine Stimme fast nicht als die seinige zu erkennen, so erkältet war er.
„Man, dich hat’s ja richtig erwischt was? Was is’n wieder los, Tauber?“
„Unsere politischen Freunde haben wieder zugeschlagen. Diesmal mit einer Sachbeschädigung, die es in sich hat. Auf das Gebäude des Arbeitsamtes haben sie in riesigen Lettern einen nicht ganz netten Text aufgesprayt. Nachdem, was mir bis jetzt zu Ohren gekommen ist, muss das eine logistische Meisterleistung gewesen sein.“
„Ist ja gut und schön, aber warum wird das nicht einfach routinemäßig abgearbeitet. Ich kann mir das ja auch Montag noch angucken. Und warum wirst du aus dem Bett geklingelt?“
„Weil irgend so ein Scheißjournalist das schon früh morgens gesehen hat. Der war wahrscheinlich da um die Ecke im Puff und hatte seinen Wagen beim Arbeitsamt geparkt.“
Auch mal wieder bezeichnend, dass das Arbeitsamt in Oldenburg in unmittelbarer Nähe vom Strich liegt, dachte de Wall.
„Und der hat gleich so’n Alarm gemacht?“
„Der hat erstmal alles schön gefilmt mit seiner Videokamera und dann unseren Pressesprecher angerufen. Der den PI-Leiter und der wiederum mich. Kannst du in einer halben Stunde fertig sein? Dann würde ich dich gerne abholen.“
„Also gut“, seufzte de Wall und legte auf.
„Wahrscheinlich wird man in diesem Kaff sonntags vollkommen in Ruhe gelassen, wenn ne ganze Familie abgeschlachtet wird. Aber wenn`s um ein paar Sprayer geht, die politische Parolen loswerden wollen, dann wird gleich eine Staatsaffäre inszeniert. Langsam frage ich mich, ob ich mich nicht doch mal nach einem anderen Job umsehen sollte“, dachte de Wall.
Als Tauber und de Wall auf das Gelände der Arbeitsagentur fuhren, stand dort schon ein Pulk von Menschen. Das Oberbürgermeisterchen war auch schon da. Und gleich nach de Wall und Tauber fuhr ein Ü-Wagen eines privaten Fernsehsenders auf das Grundstück. „Aha, deswegen ist das Oberbürgermeisterchen da“, dachte de Wall, als er den Ü-Wagen bemerkte. An der Wand der Arbeitsagentur über Mauer- und Fensterflächen hinweg war in riesigen Lettern folgender Text zu lesen:
OLDENBURGER REPRESSIONBEHÖRDE
Abteilung I: Observation & Bespitzelung.
Abteilung II: Schikane & Psychoterror
Abteilung III: Aushungerung & Eliminierung.
Es grüßen die Aussortierten
De Wall beobachtete verwundert wie Tauber blass wurde und schluckte. Wieso regte Tauber dieser Vorgang so auf? Was steckte dahinter?
Die Schrift war so riesengroß über das ganze Gebäude verteilt gesprayt, dass man sich fragen musste, wie die Gruppe das hingekriegt hatte. De Wall sah zwei Tatortermittler der uniformierten Polizei, die den Fall aufgenommen hatten und ging zu ihnen rüber. „Die müssen mit so einem LKW mit Arbeitsbühne dagewesen sein“, erläuterte einer der Kollegen.
„Ja, aber das hat Otto Normalbürger doch nicht wie ein Fahrrad in der Garage stehen. Da kommt man doch überhaupt nicht so ohne Weiteres ran. Ganz zu schweigen davon, dass man das Ding auch fahren und bedienen können muss. Und das kann doch nicht unbemerkt bleiben.“
„Wieso nicht? Die Leute, die hier um drei Uhr morgens vorbei fahren, die achten doch nicht auf das Arbeitsamt. Und selbst wenn: Wenn da so ein Laster mit ausgefahrenem Teleskoparm steht, das kann doch sein, dass da Bauarbeiten im Gange sind und die nachts den Wagen da stehen lassen haben. Aber immerhin, einen kleinen Ansatz habt ihr jetzt. Zumindest einer von denen muss so ein Ding bedienen können und kommt auch irgendwie an solche LKWs ran. Vielleicht kriegt ihr ja einen Hinweis aus der Bevölkerung. Wenn da nachts irgendwo auf einem Hof ein LKW gestartet wird, das haben doch vielleicht Leute mitgekriegt.“
Aber wie sich in den nächsten Wochen herausstellte, war dem nicht so. Und das obwohl de Wall auf Anweisung von oben mehrere Leute auf die Fahndung ansetzen musste. Es blieb de Wall nichts anderes mehr übrig, als strikt nach Vorschrift zu ermitteln. Auch wenn ihm selbst nicht
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