Die Aussortierten (German Edition)
würden?“
Sie nickte nur wortlos und lächelte ihn an.
30. Kapitel
Traurige Nachricht
Es war ein wunderschöner Morgen. Hellblauer Himmel, strahlende Sonne. Ein später Herbsttag, wie er schöner nicht sein konnte. Als de Wall an diesem Tag das erste Mal aus dem Fenster geschaut hatte, hellte sich seine Seele auf. Diesen Tag wirst du genießen, dachte er. Er hatte sich zwei Wochen Urlaub gegönnt, nachdem die Vernehmung der Verdächtigen abgeschlossen war. Alles was in diesem Zusammenhang noch zu erledigen war, hatte er Djallo und Tessa überlassen. Er brauchte jetzt Zeit für sich. Zeit zum Lesen, um einfach nichts zu tun, und vor allem um nachzudenken. Es war viel passiert in den letzten Wochen. Auch privat hatte er einiges zu verarbeiten. Das Erlebnis mit Tessa ging ihm noch nach. Und er hatte noch nicht einmal richtig beginnen können, darüber nachzudenken, da trat wieder eine Frau in sein Leben, mit der er nicht mehr gerechnet hatte. Deshalb war es wirklich dringend nötig, dass er sich der Muße hingeben konnte. Und das wollte er in seinem Urlaub ausgiebig tun! Schon gestern hatte er sich ein „Medienfasten“ auferlegt und Internet, Radio und Fernsehen verboten. Das hatte er schon lange mal ausprobieren wollen, seit er gelesen hatte, dass die elektronischen Medien ein erheblicher Stressfaktor sein sollten. Nur die Zeitung in Papierform wollte er sich nach wie vor gönnen. Er hatte gerade seine selbstgebackenen Dinkelbrötchen aus dem Ofen geholt und wollte in Ruhe Zeitung lesen, bis die Brötchen abgekühlt waren. Er schlug die Zeitung auf und erstarrte. „Region trauert um Dr. Karl-Heinz Bretendorp“ las er da auf der Titelseite. „Dr. Karl-Heinz Bretendorp, seit sechs Jahren Vorstandsvorsitzender der Oldenburgischen Vereinsbank, ist gestern freiwillig aus dem Leben geschieden.“ De Wall durchhastete den Artikel und die weitere Berichterstattung im Innenteil. Nirgendwo ein Wort darüber, dass sein Sohn verhaftet worden war. Es wurde lediglich angedeutet, dass Bretendorp privat einen schweren Schicksalsschlag erlitten habe, den er offenbar nicht habe verkraften können. Ansonsten das Übliche: Rückblick auf seine berufliche Laufbahn, was er für die Bank und die Region alles angeschoben habe, Statements von diversen Honoratioren vom Ministerpräsidenten über den Oberbürgermeister bis hin zu diversen Verbands- und Kammerpräsidenten. Habe ich den Mann auf dem Gewissen, fragte sich de Wall. Nein, antwortete er sich selbst. Ich habe die gnadenlose bürgerliche Gesellschaft, und was sie mit Menschen macht, nicht erfunden.
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