Die Aussortierten (German Edition)
nehmen. Wenn es einer auch nur wagen sollte, seinen Kopf im Fenster blicken zu lassen, wird sofort geschossen!“, drohte der Anführer.
Während er dies sagte, waren die beiden anderen Männer bereits mit der Beute nach draußen verschwunden. Und kaum hatte er zu Ende gesprochen, war er ebenfalls verschwunden. Die ersten Sekunden waren alle wie erstarrt. Dann rannte Simonitsch zur Eingangstür und raus auf den Hof des Restaurants. Er machte den Fehler, zuerst in Richtung Oldenburg zu schauen. Hätte er in die andere Richtung geschaut, hätte er noch gerade eben einen roten, älteren Golf wegfahren sehen können.
16. Kapitel
Kalt erwischt
Abends 21.30 Uhr. De Wall war seit Stunden dabei, seine Bücherregale auszuräumen und in Pappkartons zu verpacken. Sein „Bibliothekszimmer“, das er sich als Luxus bei seiner Rückkehr erlaubt hatte, sah aus, als ob er demnächst umziehen wollte. Ungefähr zehn Pappkartons mit Büchern gefüllt, thematisch sortiert, standen im Zimmer herum. Auf dem Tisch neben dem schönen Ohrensessel aus Leder stapelten sich Bücher. Auf einem Teewagen daneben ebenfalls ein Stapel Bücher. De Wall hatte am Nachmittag mit der Bücherpackerei begonnen, weil er in der kommenden Woche die Bücherschränke, die er bei einem Tischler in Auftrag gegeben hatte, nächste Woche geliefert werden sollten. Er stand gerade am Bücherregal und las ein wenig in dem Kriminalroman „Die Monteverdi-Mission“ von Jürgen Thorwald, der vor allem durch seine Sachbücher über „Das Jahrhundert der Chirurgen“ und „Das Jahrhundert der Detektive“ berühmt geworden war. „Den muss ich demnächst noch mal wieder lesen“, dachte de Wall. „Und warum nicht gleich heute Abend einen schönen gemütlichen Leseabend machen?“ Kaum hatte de Wall diesen Satz zu Ende gedacht, da klingelte das Telefon. „Samstagabend 21.30 Uhr. Wer ruft da an?“ Wieder ein Anruf aus seiner Vergangenheit wie vor einigen Monaten, als seine Ex-Geliebte Judith anrief? Oder ganz banal das Büro? „Dann sollte ich lieber nicht rangehen“, murmelte de Wall vor sich hin. Aber er war dann doch zu neugierig und ging an den Apparat.
„Hallo Ulli, ich bins, Djallo“.
„Bitte nicht. Sag nicht, dass wir irgendwo einen Toten rumliegen haben und ich rauskommen soll.“
„Nee, keine Leiche.“
„Was dann?“
„Die Aussortierten haben wieder zugeschlagen.“
„Was? Das kann doch nicht sein!“
„Wieso kann das nicht sein?“
„Weil, weil, na weil ich gedacht oder besser gehofft habe, da ist jetzt Schluss und wir können die Akte dicht machen.“
„Da hast du dich gewaltig getäuscht. Die haben nicht nur wieder eine Aktion durchgezogen. Dieses Mal sind sie wirklich kriminell geworden. Und das nicht zu knapp.“
„Was heißt das konkret?“
„Bewaffneter Raubüberfall. Die haben im Ammerländer Krug die Kasse des Wirtes und die Gäste ausgeraubt.“
„Ach du scheiße.“
„Und ich glaube, das wäre besser, wenn du gleich aufkreuzt. Denn diese Aktion wird mit Sicherheit so richtig Staub aufwühlen.“
„Hast Recht. Holst du mich ab?“
„Geht klar. Bin gleich da“.
De Wall drückte auf die Gabel und rief gleich bei Tauber an. Dort nahm jedoch niemand ab. Tauber war wahrscheinlich im Theater oder speiste gerade irgendwo exquisit. Bei dem Gedanken musste de Wall grinsen. Vielleicht war Tauber ja unter den Gästen im Ammerländer Krug.
Als Djallo mit seinem Wagen in Tungeln vor de Walls Haus vorfuhr, saß der schon vor seiner Haustür und rauchte eine Marlboro. Als er Djallos Wagen sah, trat er die Zigarette aus und stand auf. Beide sagten kurz „Hallo“, als de de Wall einstieg. Dann machten sie sich zunächst schweigend auf den Weg. Nach etwa fünf Minuten unterbrach Djallo die Stille.
„Sag mal, was is’n eigentlich mit Tessa? Schmidt sagte mir, die hätte Urlaub genommen?“
„Ja.“
„Und warum kriegt die Urlaub, ausgerechnet jetzt, wo uns die Arbeit bis zum Hals steht?“
„Weil sie den dringend brauchte.“
„Ach nee. Was meinst du wohl, wie dringend ich Urlaub brauche? Und im Gegensatz zu Tessa kann ich mich, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, nicht auf die faule Haut legen, sondern werde von meiner Familie in Beschlag genommen, muss die Kinder bespaßen, mir die Sorgen meiner Frau anhören, tausend Sachen erledigen, von denen kinderlose Singles nicht mal einen blassen Schimmer
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