Die Aussortierten (German Edition)
Literaturjournalist zu etablieren, das erreichte er nicht. Stattdessen musste er sich seinen Lebensunterhalt in der Werbung als Texter verdienen. Und das war offenbar, dies hatte de Wall noch mitbekommen, tatsächlich eine Kränkung für ihn. Denn Frank hatte wirklich was auf dem Kasten und litt sichtlich darunter, seinen Lebensunterhalt in einer Branche verdienen zu müssen, in der es nur so von Snobs und eingebildeten Künstlern wimmelte. Eines Tages bat ihn sein Onkel, dessen Malerbetrieb finanziell unter Druck stand, ihm zu helfen, ein Werbekonzept zu erarbeiten. Und dies war nun endlich die Stunde von Frank! Er erarbeitete für seinen Onkel ein Marketingkonzept, mit dem der Betrieb in kurzer Zeit neue Kunden hinzugewann. Frank erkannte bei der Arbeit an diesem Konzept seine Passion: Die unternehmerische Planung und Organisation. Und er merkte, dass ihm der Umgang mit dem Thema Handwerk Freude machte. Sein Onkel wiederum war begeistert von Franks Fähigkeiten und erkannte in ihm genau den Mann, den er sich für seinen Betrieb als Nachfolger gewünscht hätte. Eigene Kinder waren ihm verwehrt gewesen. Und so bot er Frank an, in seinen Betrieb einzusteigen. Und genau das machte Frank.
Die ersten zwei Jahre arbeitete er mit den Handwerkern und erlernte den Beruf des Malers, machte auch die Gesellenprüfung. Später dann noch den Malermeister. Parallel dazu forcierte er die Umsetzung der neuen Geschäftsstrategie, die er seinem Onkel empfohlen hatte und stellte den Betrieb schrittweise von großen Baustellen auf gutbetuchte private Kunden um. Inzwischen hatte er von seinem Onkel den Betrieb übernommen und hatte daraus nicht nur den führenden Betrieb in Wardenburg gemacht, sondern einen Betrieb, der in der ganzen Region bekannt war. Und trotz dieser großen Erfolge, aus denen Frank doch mit Recht viel Selbstbewusstsein hätte schöpfen müssen, hatte de Wall aus dem Telefongespräch den Eindruck, dass er immer noch ein Mensch war, der konkurrieren und auftrumpfen musste. Offenbar war es schwierig für ihn, den enttäuschten Blick seiner Mutter, für die ein Arzt meilenweit über dem Geschäftsführer eines Handwerksbetriebes stand, aus seinem Selbstbild zu verbannen.
Stunden später stand de Wall in der Straße „Am Langen Kanal“ und wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er stand vor einem großen Haus im mediterranen Stil. Die Fassade war mit einem Estrich verstrichen und deshalb ebenmäßig glatt und typisch mediterran in einem erdfarbenen Ton angestrichen. Für sich genommen sah das Haus gar nicht schlecht aus – wenn es irgendwo in Italien gestanden hätte. Aber hier in Norddeutschland passte es beim besten Willen nicht hin, auch wenn in der hiesigen Gegend schon lange nicht mehr die roten Backsteinhäuser dominierten und es in den Städten schon immer auch andere Fassaden gegeben hatte. Und selbst wenn inzwischen die Ideologie der absoluten Freiheit des Bauherrn schon massenhaft als Ensemble potthässliche Neubausiedlungen hervorgebracht hatte, so waren doch solche Häuser in mediterranen Stil eine neue Stufe der Geschmacklosigkeit. Und dieses Haus hier an dieser Stelle war geradezu der Gipfel an Geschmacklosigkeit. Das Haus wirkte auf de Wall, als hätte ein Ehepaar aus bescheidenen kleinbürgerlichen Verhältnissen im Lotto gewonnen und versuchte nun auf Teufel komm raus einen bürgerlichen oder besser noch großbürgerlichen Lebensstil zu pflegen. Das kann ja heiter werden, dachte de Wall.
Frank Landuris selbst öffnete die Tür. Er sah noch fast so aus wie früher: Dichtes, schwarzes Haar. Groß, schlank, das Gesicht vielleicht ein wenig voller, und die einst enorme Muskelmasse am Körper war etwas weniger geworden, aber ohne dass er dick geworden wäre.
„Hallo Herr Polizeipräsident“, schallte es de Wall mit einem scheppernden Höhö entgegen. „Kommen Sie rein!“
„Hallo Frank“, antworte de Wall schon fast betont zurückhaltend.
„Was machen die Verbrecher, Alter?“
„Danke der Nachfrage, wir haben alles gut im Griff“, antwortete de Wall, ohne sich seine Reserviertheit stärker anmerken zu lassen. Er hasste diese Art von kumpeliger Ansprache.
„Ihr habt ja ziemlich groß gebaut.“
„Ja, wir haben uns gesagt: Wenn schon bauen, dann richtig. Da mache ich auch keine Kompromisse. Komm ich führ dich mal rum.“
De Wall ließ die Führung über sich ergehen. Seine ohnehin schon negativen Erwartungen wurden noch übertroffen. Das
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