Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
überrascht. »Aber du hasst doch Hunde.«
»Das hat sich gewandelt«, sagte er leise und wurde rot. »Es sind treue Gefährten.«
»Können wir Lady nicht behalten?«, flehte Emilia. »Sie macht doch kaum Umstände und Kara wäre nicht so allein. Der Gedanke, dass ich von meiner Tochter getrennt würde, bricht mir das Herz.«
»Es ist ein Hund, Liebes. Und wir können doch nicht alle behalten.« Er nickte Julius zu. »Cookie darf bis Hamburg bleiben, wenn du mir versicherst, dass du ihn mitnimmst.«
»Aye, Kapitän.«
»Siehst du, für Cookie haben wir nun schon ein gutes Zuhause gefunden, dann können wir doch Lady behalten, Carl.« Emilia lächelte ihn an. »Bitte.«
»Ich werde darüber nachdenken. Bis Hamburg darf sie bleiben, aber danach – das weiß ich noch nicht. Es kommt darauf an, wohin die nächste Fahrt geht. Wenn wir über das Kap der Guten Hoffnung fahren, wird es zu lang für zwei Hunde, denke ich.«
Emilia lächelte zufrieden. Erst mal hatte sie Aufschub gewonnen.
»Wirst du an Land gehen?«, fragte sie Carl.
»Ja. Ich muss mit dem Vertreter der Handelsagentur sprechen und die Post holen. Willst du mitkommen?«
Emilia schüttelte den Kopf. So verlockend es war, wieder einmal festen Boden unter den Füßen zu spüren, so schreckte es sie doch ab, Lily allein an Bord zu lassen, auch wenn es nur für ein paar Stunden wäre. Sie wusste, dass das Kind an Bord gut aufgehoben war und dass sich alle um sie kümmern würden, aber sie war eine echte Glucke.
»Soll ich dir etwas mitbringen?«, fragte Carl.
»Oh ja.« Emilia reichte ihm eine Liste.
»Bestellen kann ich aber nichts. Wir werden mit der nächsten Flut wieder auslaufen. Das wird nur ein ganz kurzer Halt.«
Die Mannschaft war enttäuscht, denn sie bekamen keinen Landgang.
»Spart euch eure Heuer«, sagte Carl. »Die könnt ihr zu Hause noch ausgeben, und da wollen wir ja so schnell wie möglich hin.«
»Was glaubt Ihr denn, wann wir in Hamburg sein werden?«, fragte McPhail.
»Bei gutem Wind wohl Ende Mai. Ich hatte gehofft, es würde früher sein, aber die Flaute hat uns aufgehalten.«
»Ende Mai – in etwas mehr als zwei Monaten«, sagte der Vollmatrose zufrieden. »Hipp, hipp …«
»Hurra!«, stimmte die Mannschaft mit ein.
Zahlreiche Boote lagen längsseits, boten ihre Ware feil, der Smutje kaufte eifrig Obst und Gemüse. Bald schon waren die Vorratskammern in Heck und Bug wieder gefüllt. Lily kaute zufrieden an einer Banane und Emilia genoss eine Mango.
Drei Stunden später scholl der Ruf »Kapitän an Bord« über Deck Emilia hatte gerade ihre Tochter zu Bett gebracht und eilte nach oben. Carl brachte Einkäufe, einen Stapel Zeitungen und einen dicken Packen Briefe mit.
Auch für Emilia waren zwei Briefe dabei. Sie traute sich kaum, sie entgegenzunehmen, sah dann auf die Absender. Der eine Brief war von Inken, der andere trug eine ihr unbekannte Handschrift. »J. Bregartner« entzifferte sie – ein Brief von ihrem Bruder Julius? Sie ging an der Verschanzung entlang bis hinter das Backstag, dort, unter dem Fenster zu ihrer Kammer, war ein ruhiges Plätzchen. Mit zitternden Händen öffnete sie das Siegel. Ihr Bruder – sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen, geschrieben hatte er ihr noch nie. Ob er sich überhaupt an sie erinnern konnte?
»Liebe Emma,
ich schreibe dir, weil ich nun das Oberhaupt unserer Familie bin. Das hört sich seltsam an, für mich immer noch. Vater ist im November 1857 gestorben. Die Cholera hat hier in London einige Opfer gefordert, sie soll von verschmutzten Brunnen herrühren, aber so genau weiß man es nicht. Mutter und Vater erkrankten schwer. Ich war zu diesem Zeitpunkt in der Schule in Essex.
Mutter hat die Krankheit überstanden, ist aber sehr geschwächt. Sie wünschte, zurück nach Othmarschen zu gehen und dort ihren Lebensabend zu verbringen. Auch hätten wir gerne Vater in Ottensen begraben, wo ja eine Reihe Kinder der Familie beerdigt wurden, aber das war nicht möglich. Vater wurde schnell hier unter die Erde gebracht.
Ich versuche mit Hilfe seines Agenten und Onkel Hinrich, der kam, um uns beizustehen, die Geschäfte abzuwickeln. Dann werde ich auch nach Hamburg gehen und dort die Schule besuchen. Später möchte ich nach England zurückkehren, denn dies ist meine Heimat geworden.
Vater hat mit großem Kummer deine Briefe gelesen. Doch die Nachricht, dass du eine gesunde Tochter zur Welt gebracht hast, hat ihn und Mutter erfreut. Kurz vor seinem Tod soll er noch von dir
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