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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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hinter seinen Apparat, steckte den Kopf unter einen Vorhang und hielt ein seltsames Gestell über seinen Kopf. Lily sah dem Treiben mit großen Augen zu.
    »Achtung!«, rief der Fotograf und dann blitzte und knallte es laut.
    Beide Kinder schrien laut auf, und auch Emilia, obwohl sie vorher gewarnt worden war, saß der Schreck in den Knochen.
    »Wunderbar«, sagte der Fotograf strahlend. Julius eilte zu Hilfe und tröstete Lily, während Emilia sich um Minnie kümmerte.
    Das Bild jedoch zeigte sie nur mit schreckgeweiteten Augen und ohne Tränen. Emilia verpackte es sorgfältig in Wachspapier und legte es dem nächsten Brief an Carl bei.
    Den Jahresübergang verbrachten sie ruhig in Othmarschen. Julius war nach Hamburg gefahren, denn die Tante gab einen großen Ball. Emilias Bruder war sich seiner gesellschaftlichen Pflichten wohl bewusst, auch wenn er wenig Interesse an dem eitlen Gebaren hatte.
    Inken öffnete eine Flasche guten Weins und stieß mit Emilia an. »Im nächsten Jahr wird es für dich wieder auf große Fahrt gehen«, sagte sie leise.
    »Hoffentlich«, erwiderte Emilia, »ich kann es kaum erwarten. An Bord sitzen sie nun zusammen, wenn die See es zulässt, und feiern. Der Smutje wird Naschwerk gebacken haben und die Seemannskapelle wird aufspielen – Schifferklavier, Maultrommel und Fidel. Zwei oder drei der Matrosen werden sich als Weibsvolk verkleiden und dann wird getanzt. Sie singen ihre Shantys und Carl wird Rum spendieren«, erzählte sie traurig. »Es ist sehr fröhlich an Bord.«
    »Nächstes Jahr Silvester bist du wieder mit dabei.«
    Doch das Frühjahr kam und Carls Briefe trafen seltener und unregelmäßigerein. Er war von Durban nach Sansibar gesegelt, dann nach Rangun und wartete dort auf eine gute Order, um nach Sydney zu gehen. Doch es gab keine gute Order. So machte er sich auf nach Malaysia.
    Ein Jahr war er unterwegs, als sie die nächsten Briefe bekam, und immer noch war er nicht bis Australien gekommen. Emilia verzweifelte langsam. Lily wurde zwei, sie sprach schon einige Worte und war aufgeweckt und munter. Minnie würde im Herbst ein Jahr alt werden und hatte ihren Vater noch nie gesehen. Sie blieb ein ruhiges und zufriedenes Kind, hatte aber einen ausgeprägten Dickkopf.
    »Wie der Papa«, seufzte Emilia manchmal und musste dann aber lachen.
    Im November endlich kam der Brief, auf den sie so lange gewartet hatte.
    »Nimm das nächste Schiff nach Sydney«, schrieb Carl. »Ich habe hier einen guten Händler gefunden. Es gibt einige Routen, die ich befahren kann und die sich wohl lohnen sollten. Auch ist die Stadt Sydney nett anzusehen. Immer mehr Häuser werden gebaut. Der Goldrausch ist vorbei und die Abenteurer sind weitergezogen. Es gibt Theater und eine Bibliothek, Ärzte und Schulen. Immer mehr Menschen ziehen hierher, die nicht schnell ihr Glück machen, sondern sich ein neues Leben, eine neue Zukunft aufbauen wollen. Hier können wir glücklich werden, können unsere Töchter aufziehen und ihnen eine Zukunft bieten. Ich habe meinen Bruder Carl Robert angeschrieben, der mir so sehr geholfen hat. Er kann dir bei allen Formalitäten helfen, da er alle Vollmachten von mir bekommen hat.«
    Carl Robert hatte Emilia zweimal besucht. Er lebte mit seiner Frau in Berlin und war dort Landgerichtsdirektor. Außerdem war er Herausgeber und Haupteigentümer der »Vossischen Zeitung«. Ein angenehmer und freundlicher Mann, der seinem jüngeren Bruder viel Sympathie entgegenbrachte.
    Emilia kabelte ihm sofort. Und sie schickte Julius in den Hafen, um sich nach Schiffen zu erkundigen. Doch so schnell, wie sie es erhofft hatte, ging es nicht.
    Ohne weiteres konnte sie nicht auf ein Schiff und abreisen, sie brauchte die Erlaubnis ihres Mannes beziehungsweise das Einverständnis von jemandem, dem er die Vollmachten übertragen hatte.
    Roberts zweiter Sohn war jedoch gerade im Kindbett gestorben und er schrieb bedauernd, dass er noch an der Seite seiner Frau verweilen müsse.
    Außerdem, so berichtete ihr Julius, würde das nächste Schiff, das Passagiere an Bord nahm, vermutlich erst im Frühjahr aus Hamburg auslaufen.
    Wieder ein Weihnachten in Othmarschen, dachte Emilia verzweifelt. Dennoch begann sie energisch, ihr Gepäck vorzubereiten. Gute feste Stoffe brauchte sie, Wachsjacken und dicke Socken. Inzwischen strickte sie jeden Abend, es bereitete ihr großes Vergnügen. Eine ganze Kiste voller Bücher nahm sie mit. Das gute Porzellan ihrer Mutter wurde in Holzwolle gepackt, Julius hatte es

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