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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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etwas an, bis die Gesellschaft sagt, dass es das soll.
    Ich gehe einen weiteren Schritt auf die Haltestelle zu, auf Ky zu. Ich rechne damit, dass auch er seinen Weg fortsetzt und die Stufen zum Bahnsteig hinaufsteigt, aber das tut er nicht. Stattdessen kommt er einen Schritt auf mich zu. Der bewaldete Hügel inmitten des Arboretums ragt in der Ferne hinter ihm auf, und ich frage mich, ob wir jemals dort wandern werden. Das Gewitter, das noch einige Kilometer entfernt ist, wälzt sich grau und schwer über den Himmel. Ky blickt auf. »Regen«, sagt er fast atemlos und blickt dann wieder mich an. »Fährst du zu seinem Büro in der Stadt?«
    »Nein, ich fahre noch weiter. Er arbeitet momentan auf einer Baustelle draußen an der Ecke der Bachweg-Siedlung.«
    »Schaffst du es noch rechtzeitig zur Schule, wenn du jetzt so weit rausfährst?«
    »Ich glaube schon. Ich habe ihn schon einmal besucht, als er dort draußen gearbeitet hat.«
    Durch die Wolken über uns wirken Kys Augen heller. Sie reflektieren das Grau ihrer Umgebung, und ein beunruhigender Gedanke schießt mir durch den Kopf. Vielleicht haben seine Augen gar keine Farbe. Sie reflektieren, was er trägt und wer er auf Befehl der Funktionäre sein soll. Als er braune Kleidung getragen hat, sahen seine Augen braun aus. Jetzt, wo er Blau trägt, wirken sie blau.
    »Worüber denkst du nach?«, fragt er mich.
    Ich sage ihm die Wahrheit. »Über deine Augenfarbe.«
    Meine Antwort trifft ihn unvorbereitet, aber nach einem kurzen Augenblick lächelt er. Ich liebe sein Lächeln. Ich erkenne darin noch ein klein wenig von dem Jungen, den ich damals im Schwimmbad kennengelernt habe. Waren seine Augen damals auch schon blau? Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich wünschte, ich hätte genauer hingesehen.
    »Worüber denkst
du
nach?«, frage ich. Ich rechne damit, dass jetzt die Rollläden heruntergehen, wie immer: Ky wird mir irgendeine vorgestanzte Antwort auftischen, zum Beispiel: »Ich habe darüber nachgedacht, was ich heute bei der Arbeit machen muss«, oder: »Über die Freizeitaktivitäten am Samstagabend.«
    Doch er reagiert anders. »An zu Hause«, antwortet er und sieht mich einfach nur an.
    Beide sehen wir uns lange Zeit an, ohne dass es peinlich wird, und ich spüre, dass Ky Bescheid weiß. Ich weiß nicht genau,
was
er weiß – ob er mich ganz und gar kennt, oder ob er nur etwas über mich weiß.
    Ky sagt nichts mehr. Er sieht mich mit diesen wandelbaren Augen an, diesen Augen, von denen ich glaubte, dass sie die Farbe der Erde hätten, die aber stattdessen die Farbe des Himmels haben, und ich erwidere seinen Blick. Ich glaube, wir haben uns in den letzten beiden Tagen öfter angesehen als in all den Jahren, die wir uns nun schon kennen.
    Die Ansagerin durchbricht die Stille. »Achtung, Zug fährt ein.«
    Keiner von uns sagt etwas, als wir gemeinsam die Metalltreppe zum Bahnsteig hinauflaufen, mit den fernen Wolken um die Wette. Diesmal gewinnen wir. Wir kommen oben an, als der Zug vor uns abbremst. Gemeinsam steigen wir zu den anderen Passagieren in dunkelblauer Zivilkleidung und den wenigen Funktionären zwischen ihnen.
    Es sind keine zwei Plätze nebeneinander frei. Ich finde zuerst einen Platz, und Ky setzt sich mir schräg gegenüber. Er lehnt sich nach vorn und stützt die Ellbogen auf die Knie. Irgendjemand, ein anderer Arbeiter, ruft ihm einen Gruß zu, und Ky erwidert ihn. Der Airtrain ist voll und Passagiere gehen durch den Gang, aber ab und zu kann ich Ky durch eine Lücke zwischen ihnen beobachten. Mir fällt ein, dass dies auch ein Grund sein könnte, warum ich heute zu meinem Vater fahre. Nicht nur, weil ich das Papier zerstören will, sondern auch, weil ich mit Ky zusammen in einem Zug fahren möchte.
    Wir erreichen seine Haltestelle zuerst. Er steigt aus, ohne sich noch einmal umzublicken.

    Ich stehe an der erhöhten Airtrainhaltestelle, und von hier oben sieht es so aus, als wären die Trümmer der alten Bibliothek mit riesigen schwarzen Spinnen bedeckt. Die gigantischen schwarzen Saugbrenner spreizen ihre beinartigen Röhren über die Backsteine bis hinein in den Keller der Bibliothek. Der Rest des Gebäudes wurde bereits abgerissen.
    Ich steige die Stufen hinunter und gehe auf die Bibliothek zu. Ich wirke auf dieser Baustelle vollkommen deplatziert, aber es ist nicht verboten, sie zu betreten. Trotzdem wäre es besser, wenn mich jetzt noch niemand sehen würde. Ich gehe nahe genug heran, um in die Grube hineinblicken zu können. Die

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