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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Buchstaben sind meine Hände immer noch nicht daran gewöhnt, auf eine andere Art und Weise zu schreiben als auf einer Bildschirmtastatur. Als ich es endlich schaffe und aufblicke, sehe ich, dass Ky mich angrinst.
    »So, jetzt habe ich also das
K
gelernt«, sage ich und erwidere sein Grinsen. »Komisch. Ich dachte, wir würden alphabetisch vorgehen.«
    »Sind wir ja auch«, sagt Ky. »Aber ich dachte, das
K
wäre doch ein netter Buchstabe.«
    »Und was kommt dann als Nächstes?«, frage ich gespielt unschuldig. »Doch nicht etwa das
y

    »Möglicherweise«, gibt Ky zu. Er lächelt nicht mehr, aber seine Augen funkeln verschmitzt.
    Die Trillerpfeife ertönt in einiger Entfernung am Fuß des Berges. Als ich sie höre, frage ich mich, wie ich den Vogelruf mit der Pfeife des Offiziers verwechseln konnte. Das Trillern klingt metallisch und künstlich, während der Vogelgesang hoch, klar und lieblich war.
    Ich seufze und fahre mit einer Hand über den Boden, um die Buchstaben zu verwischen. Dann greife ich nach einem Stein, um einen Haufen aufzuschichten. Ky folgt meinem Beispiel. Zusammen bauen wir Stück um Stück einen Turm.
    Als ich den letzten Stein auf den Stapel setze, legt Ky seine Hand auf meine. Ich ziehe sie nicht weg. Erstens will ich den Stapel nicht umwerfen, und zweitens genieße ich das Gefühl seiner rauen, warmen Hand auf meinem Handrücken und das der glatten Oberfläche des Steines unter meiner Handfläche. Dann drehe ich meine Hand langsam um, so dass sich unsere Finger verschränken.
    »Ich kann niemals gepaart werden«, gesteht er und blickt erst auf unsere Hände, dann in meine Augen. »Ich bin eine Aberration.« Er wartet auf meine Reaktion.
    »Aber du bist keine Anomalie«, sage ich scherzhaft, um der Situation ihren Ernst zu nehmen. Doch sofort begreife ich, dass das ein Fehler war. Hier gibt es nichts zu scherzen.
    »Bis jetzt noch nicht, jedenfalls«, erwidert er, aber sein lockerer Tonfall klingt gezwungen.
    Es ist eine Sache, eine Wahl treffen zu müssen, aber eine ganz andere, nie eine Wahl gehabt zu haben. Ich fühle eine scharfe, kalte Einsamkeit tief in mir. Wie wäre es, ganz allein zu sein? Zu wissen, dass man niemals die Möglichkeit hat, etwas anderes zu wählen?
    In diesem Moment erkenne ich, dass die Berechnungen der Funktionäre mir nichts bedeuten. Ich kenne viele Leute, die glücklich sind, und das freut mich für sie. Aber hier geht es um Ky. Wenn er die eine Person ist, die aus dem Schema herausfällt, während die anderen neunundneunzig Prozent glücklich und zufrieden sind, bin ich nicht damit einverstanden. Mir wird klar, dass mir der Offizier egal ist, der am Fuße des Hügels patrouilliert, ebenso wie die anderen Wanderer, die im Wald unterwegs sind. Mir ist alles egal. Und zugleich wird mir bewusst, wie gefährlich unsere Situation in Wirklichkeit ist.
    »Aber wenn du gepaart werden würdest«, sage ich leise, »wie wäre dann deiner Meinung nach deine ideale Partnerin?«
    »Wie du«, sagt er, schon bevor ich geendet habe. »Du wärst es.«
    Wir küssen uns nicht. Wir tun nichts, außer uns an den Händen zu halten und zu atmen, aber ich bin mir jetzt ganz sicher. Ich kann nicht mehr
gelassen gehen
. Nicht einmal um meiner Eltern, meiner Familie willen.
    Nicht einmal Xander zuliebe.

KAPITEL 22

    E inige Tage später sitze ich im Sprachunterricht und starre die Lehrerin an, die uns erklärt, wie wichtig es sei, sich bei Nachrichten über das Terminal kurz zu fassen. Wie zur Illustration kommt genau in dem Moment eine solche Nachricht auf dem Hauptterminal im Klassenzimmer an.
    Cassia Reyes. Verfahrensrechtlicher Verstoß. Zur Abholung durch einen Funktionär bereithalten.
    Alle drehen sich um und sehen mich an. Stille legt sich über den Raum: Die Schüler hören auf, mit ihren Schreibcomputern zu arbeiten, und sitzen reglos da. Sogar die Lehrerin erlaubt es sich, einen Ausdruck tiefen Erstaunens über ihr Gesicht huschen zu lassen. Sie versucht gar nicht erst, weiter zu unterrichten. Es ist lange her, seit jemand hier einen Verstoß begangen hat. Besonders einen, der öffentlich verkündet wurde.
    Ich stehe auf.
    In gewisser Weise bin ich darauf vorbereitet. Ich habe damit gerechnet. Niemand kann so viele Vorschriften übertreten wie ich, ohne irgendwann irgendwie erwischt zu werden.
    Ich sammle mein Lesegerät und meinen Schreibcomputer ein und verstaue beides zusammen mit dem Tablettenbehälter in meiner Tasche. Plötzlich finde ich es sehr wichtig, der

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