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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Funktionärin zuvorzukommen. Ich bin mir sicher, welche Funktionärin diesmal erscheinen wird. Nämlich die aus dem Park am Spielcenter, die mir erzählt hat, alles würde gut werden und nichts würde sich an meiner Paarung ändern.
    Hat sie mich angelogen? Oder hat sie die Wahrheit gesagt, und mein Verhalten hat ihre Aussagen Lügen gestraft?
    Die Lehrerin nickt mir zu, als ich den Raum verlasse, und ich bin ihr dankbar für diese schlichte Geste der Höflichkeit.
    Der Flur ist leer und lang, der Boden rutschig von der kürzlichen Reinigung. Wieder ein Ort, an dem ich nicht rennen kann.
    Ich warte nicht darauf, dass sie mich holen kommen. Ich gehe den Flur entlang und setze meine Füße vorsichtig auf die Fliesen auf, darauf bedacht, nicht auszurutschen, nicht hinzufallen, nicht zu rennen, während ich beobachtet werde.

    Sie wartet in der Grünanlage neben der Schule. Ich muss die Wege überqueren und mich erneut auf einer Bank ihren Blicken aussetzen. Sie wartet. Ich gehe auf sie zu.
    Sie steht nicht auf, um mich zu begrüßen. Als ich angekommen bin, setze ich mich nicht. Es ist hell hier draußen, und ich kneife die Augen zusammen, geblendet vom Weiß ihrer Uniform und dem Metall der Bank, die grell und gleißend im Sonnenlicht leuchten. Ich frage mich, ob sie und ich jetzt manches anders betrachten, weil wir nicht mehr nur das sehen, was wir zu sehen hoffen.
    »Hallo, Cassia«, sagt sie.
    »Hallo.«
    »Ihr Name ist in letzter Zeit in mehreren Gesellschaftsbehörden gefallen.« Sie gibt mir ein Zeichen, dass ich mich setzen soll. »Warum wohl?«
    Dafür könnte es eine Menge Gründe geben
, denke ich bei mir.
Wo soll ich anfangen? Ich habe Artefakte versteckt, gestohlene Gedichte gelesen, das Schreiben gelernt. Ich habe mich in einen
     anderen als meinen idealen Partner verliebt und diese Tatsache meinem Partner verheimlicht.
    »Ich weiß es nicht«, behaupte ich.
    Sie lacht. »Oh, Cassia! Dabei waren Sie bei unserem letzten Gespräch so ehrlich zu mir. Ich hätte wissen müssen, dass das nicht anhalten würde.« Sie deutet auf den Platz neben sich. »Setzen Sie sich.«
    Ich gehorche. Die Sonne steht fast senkrecht am Himmel und wirft ein unschmeichelhaftes Licht auf die Frau. Ihre pergamentartige Haut ist von einem dünnen Schweißfilm bedeckt. Ihre Figur wirkt schwammig, ihre Uniform und ihre Rangabzeichen erscheinen mir klein und weniger beeindruckend als bei unserer letzten Begegnung. Das alles halte ich mir bewusst vor Augen, damit ich keine Angst habe und nichts verrate, vor allem Ky nicht.
    »Sie müssen nicht so bescheiden sein«, sagt sie. »Sicherlich haben Sie eine Vorstellung davon, wie hervorragend Sie bei Ihrem Sortiertest abgeschnitten haben.«
    Glück gehabt! Ist sie etwa nur deswegen hier? Aber was ist mit dem Verstoß?
    »Sie haben das beste Ergebnis des Jahres erzielt. Jetzt reißen sich die Behörden natürlich alle um Sie und wollen Sie einstellen. Wir von der Paarungsbehörde sind auch immer auf der Suche nach einer guten Sortiererin.« Sie lächelt mich an. Genau wie beim letzten Mal wiegt sie mich zuerst in Sicherheit, indem sie meinen Platz innerhalb der Gesellschaft betont. Warum hasse ich sie bloß so sehr?
    Kurz darauf weiß ich es.
    »Aber leider«, fährt sie nämlich mit gespieltem Bedauern fort, »musste ich den Funktionären, die Sie getestet haben, mitteilen, dass wir von Ihrer Einstellung absehen müssen, wenn sich in einigen Ihrer persönlichen Beziehungen nicht bald etwas ändert. Und ich musste natürlich den Kollegen gegenüber erwähnen, dass Sie in diesem Fall auch nicht für irgendeine andere Tätigkeit geeignet sein dürften, die etwas mit dem Sortieren zu tun hat.«
    Während dieser Ankündigung vermeidet sie es, mich anzusehen, und blickt stattdessen zu dem Brunnen in der Mitte der Anlage, der ausgetrocknet ist, wie mir plötzlich auffällt. Dann richtet sie ihre Augen auf mich. Mein Herz rast, und mein Puls pocht bis in meine Fingerspitzen.
    Sie weiß es. Etwas, zumindest, wenn nicht alles.
    »Cassia«, sagt sie freundlich. »Teenager sind leidenschaftlich. Rebellisch. Das ist Teil des Erwachsenwerdens. Als wir Ihre Daten für die Paarung überprüft haben, haben wir sogar Hinweise darauf gefunden, dass bei Ihnen solche Gefühle äußerst wahrscheinlich wären.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
    »Selbstverständlich wissen Sie das, Cassia. Aber Sie sollten sich keine Sorgen darüber machen. Sie mögen Ky Markham im Moment gewisse Gefühle entgegenbringen,

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