Die Auswanderinnen (German Edition)
einmal ungefähr dreihundertfünfzig Kilometer.“
„O.K., das passt. Das dürfte dann Halbzeit sein.“
Doch in Gunnedah gab es kein Motel, dessen Äußeres Isabella angesprochen hätte. Also gab Dieter Gas, fuhr durch die Ortschaft hindurch und hielt nach fast weiteren hundert Kilometern in Narrabri an. Aber auch dort sagte Isabella kein Motel zu. Allerdings war es inzwischen stockdunkle Nacht geworden und sie alle waren viel zu müde, um noch weiterzufahren. Im einzigen Motel am Platz, in dem sie frisch frittierten Fisch und Chips mit Essigsoße bekamen, gingen sie nach dem Essen sofort auf ihre Zimmer und legten sich, nach einer kurzen Dusche, schlafen. Dennoch maulte Isabella trotz ihrer Erschöpfung noch kurz über die Jugendherbergs-Mentalität der Australier und die Unfähigkeit gewisser Gatten, für die Erfüllung der einfachsten Bedürfnisse zu sorgen, bevor sie sich in die viel zu harte Wolldecke einrollte und, mit dem süßen Gedanken an eine baldige Rückkehr in die Zivilisation, recht schnell einschlief.
Dieter ignorierte sie, wie immer.
Im Nebenzimmer lag Eva bereits auf dem Bett, als Uwe aus dem Bad kam. „Isabella ist ja furchtbar gereizt“, sagte er. „Hoffentlich verdirbt sie uns nicht noch den ganzen Urlaub. Das ist das letzte Mal, dass ich sie mitnehme.“
Eva gab ihm sofort Recht.
„Nun mach schon, beeil dich!“ Kurt trieb Johanna an. Sie brauchte viel zu lange für jede Ladung Holz. Wenn sie so weitermachte, würden sie nie fertig werden.
Johanna schleppte die schweren Bretter vom Hauptschacht, in den Kurt sie gestern Abend noch mit dem Seil herabgelassen hatte, bis zum Eingang des Nebenschachts. Immer drei auf einmal, mehr konnte sie einfach nicht tragen. Ihre Unterarme waren bereits vom splittrigen Holz aufgeschürft, und ihr Rücken schmerzte so sehr, dass sie sich kaum mehr aufrichten konnte. Und jedes Mal, kurz bevor sie den Holzstoß erreichte, den sie im Laufe des Tages zusammengetragen hatte, spürte sie den Zug der Kette an ihrem Bein. Sie legte ihre Ladung neben den anderen Brettern ab.
Kurt hämmerte währenddessen, ohne sich nach ihr umzudrehen, wie verrückt auf die Holzwand ein. Die Hälfte des Eingangs zu dem Nebenschacht, in dem er den Grundstock seines zukünftigen Reichtums vermutete, war bereits hinter den schweren Bohlen verschwunden. Weil sie glaubte, dass er nun genügend Holz haben würde, um den Eingang zu versperren, blieb sie hinter ihm stehen und wartete auf neue Anweisungen.
Plötzlich drehte er sich zu ihr um, legte langsam den Hammer auf den Boden, sah sie an und fluchte leise. Erschreckt wollte sie sich schnell zurückziehen, verfing sich mit den Eisengliedern der Fußkette aber an einem Stein und stolperte gegen die Felswand vor sich. Schon dachte sie ihren Sturz aufgefangen zu haben und schnell aus seinem Blickfeld verschwinden zu können, als er sich bereits von hinten auf sie stürzte und sie mit seinem massigen Körper auf den feuchten Erdboden drückte. Dabei drehte er ihr Gesicht mit einem schnellen Handgriff nach unten und presste es so tief in die schlammige Erde, dass sie kaum mehr atmen konnte. „Hör zu, du Fotze“, keuchte er, „hier wird nicht lange gefackelt. Die verdammte Wand muss fertig sein, ehe deine netten Freunde morgen ankommen, also wirst du dich gefälligst ein wenig anstrengen oder du kannst die ganze Nacht hier unten bleiben. Hast du das kapiert?“ Er lockerte seinen Griff und sie hob ihr dreckverschmiertes Gesicht so gut es ging nach oben, um gierig Luft durch Mund und Nase zu saugen. Aber da griff er auch schon in ihr Haar, zerrte ihren Kopf noch ein Stück weiter nach hinten und zwang ihn dann wieder nach vorn. Vor und zurück, immer wieder drückte er ihr Gesicht in den Schlamm, und bog dann ihre Halswirbel wieder so weit nach hinten, dass sich ihre Schultern in einer forcierten Geste der Kopfnickens mit vom Boden hoben. „Ja! Ja! Ja!“, sagte er dabei jedes Mal. „So ist es gut. Du verstehst, was ich meine. Immer schön ja sagen! Deine Freunde kommen morgen an ... Ja! Ja! ... Sie arbeiten hier, im Westschacht ... Ja! Ja! ... Und wenn sie fragen, warum der Ostschacht versperrt ist, sagst du, er ist gefährlich ... Ja! Ja! ... Einsturzgefahr, kapiert ... Ja! Ja! ...“
Als er ihr ein Büschel Haare ausgerissen hatte, suchte seine Hand neuen Halt. Er umklammerte ihren Nacken und bewegte ihren Kopf noch heftiger. „Und du bist ein braves Mädchen und hältst die Schnauze. Was in der Mine abgeht, geht diese
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