Die Auswanderinnen (German Edition)
und bin mir längst nicht mehr so sicher wie früher! Jo Ann hat mich ganz schön durcheinandergebracht, das kann ich euch sagen. Diese fehlenden Stunden treiben mich noch in den Wahnsinn. Wenn ich nur wüsste, was ...“ Ihre Stimme verlor sich.
Steve beobachtete, wie Isabellas Augen hilflos über die Köpfe der Restaurantgäste hinweghuschten, ohne wirklich etwas dabei wahrzunehmen. „Hast du denn überhaupt keine Erinnerung mehr an diesen Nachmittag?“, fragte er.
Isabella schüttelte den Kopf und beschrieb ihm daraufhin ihren Traum von der dunklen Röhre und den Engelsflügeln.
„Bedeutet das, dass du unten im Schacht gewesen bist?“, hakte er nach.
„Nein, daran würde ich mich doch erinnern. Ich weiß noch, dass ich zur Mine gewandert bin, dort ankam und in den Schacht hinuntergerufen habe. Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist, wie ich zu Kurts Pick-up rannte, mich umdrehte und sah, dass er mir folgte. Wie ich voller Panik den Wagen startete, er dort ankam, wie wild am Autogriff zerrte, und ich auf ihn einschlug und losfuhr. Von dem, was sich zwischen meiner Ankunft und meiner Flucht abgespielt hat, habe ich jedoch keine Ahnung.“
„Das stimmt nicht! Du hast uns, kurz nachdem du bei uns angekommen bist, erzählt, dass du im Schacht warst!“, warf Eva ein.
„Wie bitte?“, zuckte Isabella zusammen.
Eva wunderte sich, dass dieser Punkt in den letzten Tagen niemals zur Sprache gekommen war. Vielleicht war er ja wichtig. „Na ja, du hast gesagt, dass Kurt im Schacht war, du ihn gerufen hast und er zurückgerufen hätte, dass du runterkommen sollst. Dann hast du erzählt, dass du die Leiter wieder hoch bist, und er hinter dir her. Wie ein Tier, hast du gesagt. Er wäre dicht hinter dir auf der Leiter gewesen, aber du warst schneller.“
Isabella hatte die Stirn gerunzelt und kratzte sich am linken Arm. „Das habe ich erzählt?“
„Ja!“
Steve gab zu bedenken: „Glaubst du nicht, dass die Engelsröhre in deinem Traum für den Schacht stehen könnte?“
„Scheint so zu sein, nicht wahr?“, wunderte sich Isabella und kratzte sich dabei etwas heftiger. „Aber ich erinnere mich nicht daran. Das heißt, wenn ich jetzt so darüber nachdenke ... also, es ist ... kennt ihr das, wenn ihr aus einem Traum erwacht und gerade noch wisst, was ihr geträumt habt, das Geträumte aber schon nicht mehr genau beschreiben könnt? Versteht ihr, eben jetzt, als du sagtest, ich sei im Schacht gewesen, hatte ich plötzlich eine blitzartige Vision vor Augen. Aber es ist wie mit dem Traum. Ich kann die Vision nicht richtig fassen, nicht richtig festhalten und mir noch mal ansehen. Dennoch weiß ich, dass es tief und dunkel um mich war, und da war jemand bei mir ...“ Sie schwieg und hatte nun auch aufgehört sich zu kratzen. „Himmel, es ist unmöglich zu beschreiben, was ich eigentlich sagen wollte. Es ist schon wieder weg. Ich weiß es nicht mehr.“
Eva langte über den Tisch und tätschelte ihre Hand. „Beruhige dich. Es bringt dich nicht weiter, wenn du dich quälst. Die Antwort wird von ganz allein kommen.“
„Das glaube ich nicht“, widersprach Steve.
Eva sah ihn vorwurfsvoll an.
„Nein, wirklich, was Isabella erlebt hat, war ein viel zu großes Trauma. Es sitzt einfach zu tief. Das aufzulösen ist ein Job für einen Psychiater, allerdings für einen richtig guten. Ich kenne keinen! Du, Isabella?“
Die lachte freudlos. „Vielen Dank, das könnt ihr vergessen. Jahrelang habe ich mir so eine Therapie angetan – jede Woche eine Sitzung, und zwar beim angeblich besten Therapeuten von München. Nein danke, das hat ganz und gar nichts gebracht. Wenn ich mich recht erinnere, ist er nicht einmal darauf gekommen, mich nach den fehlenden Stunden zu fragen!“
„Du hast ihm wahrscheinlich keine genauen Zeitangaben gemacht“, vermutete Eva.
Isabella überlegte, schüttelte dann aber den Kopf. „Das hat ihn doch gar nicht interessiert! Dafür ist er umso öfter auf der Frage herumgeritten, warum ich mich Dieter nicht offenbart hätte, als ich eine Woche nach seiner Abreise mit sichtbaren Verletzungen nach Sydney zurückgekommen bin, und wollte wissen, wie Dieter wohl darauf reagiert hätte.“
„Ja, wie du das vor ihm vertuschen konntest, würde mich auch interessieren“, warf Steve ein.
„Oh, das war gar nicht schwierig“, erklärte Eva. „Als Isabella am nächsten Tag aufgewacht ist, hat sie uns erzählt, dass sie mit Dieter einen fürchterlichen Streit gehabt hätte. Isabella sagte,
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