Die Auswanderinnen (German Edition)
vom Boden auf und ging nach draußen. Erst sehr viel später, als es draußen schon dunkel war, kam er wieder zurück. Sie hatte sich nicht vom Fleck bewegt. „Steh auf und komm zu uns. Die anderen fragen schon, wo du bleibst. Na komm schon! Wasch dein Gesicht und kämm dir die Haare, so kannst du dich nicht sehen lassen“, sagte er. Es klang sogar freundlich.
Johanna stand auf, tat wie ihr geheißen, und ging dann mit ihm zu ihren Freunden, neben die sie sich, ohne ein Wort zu sagen, setzte. Wie immer fiel ihre geistesabwesende, leicht abweisend wirkende Art nicht weiter auf, denn jeder wusste inzwischen, dass sie nicht sehr gesellig war.
Johanna wünschte sich, eine Dose Bier trinken zu können, um den fauligen Geschmack in ihrem Mund loszuwerden, der auch nach dem Zähneputzen nicht verschwunden war, aber sie wagte nicht, danach zu fragen. Kurt hätte das nicht gern gesehen.
Kapitel 14
Sydney, heute
Isabella und Eva gingen in der ersten Woche der Commonwealth Games täglich ins gut besuchte Homebush Stadion , wo sie sich einen Großteil der Vorentscheidungen ansahen.
Am fünften Tag verließen sie gegen vier Uhr nachmittags das Stadion. Die kräftige Sonne hatte sie träge gemacht, und sie hatten keine Lust mehr gehabt, in die Stadt zu fahren, und so kamen sie an diesem Tag früher als sonst nach Hause. Gemeinsam legten sie Hühnerschenkel auf den Grill und bereiteten einen Salat zu. Nach dem Essen lehnten sie sich dann lässig und entspannt in ihre Gartenstühle zurück, legten die Beine hoch und genossen schweigend den kühlenden Abendwind, bis sie durch das Klingeln des Telefons aufgeschreckt wurden.
Eva hob ab und wurde von einer weiblichen Stimme überrascht.
„Mein Gott, es ist Johanna!“, sagte sie zu Isabella gewandt, während sie den Hörer mit ihrer Hand abdeckte. „Hallo Johanna“, antwortete sie dann. „Das ist aber eine Überraschung. Ich habe schon gar nicht mehr mit deinem Anruf gerechnet.“
„Tja, so kann man sich täuschen.“
Eine kleine Pause.
„Isabella ist schon letzte Woche angekommen. Sie sitzt mir gerade gegenüber. Willst du sie sprechen?“
„Nein!“
Wieder eine Pause.
„Also, was gibt es? Hast du es dir überlegt?“ Eva wusste nicht so recht, wie sie ihre nächste Frage formulieren sollte. Wenn Johanna sich nicht mit Isabella treffen wollte, war es peinlich, dies in ihrer Gegenwart anzusprechen. Ach, wie sie dieses ganze Getue leid war. „Willst du dich nun mit uns treffen oder nicht?“, fragte sie deshalb direkt.
„Eigentlich nicht“, sagte Jo Ann. „Ich wollte die Vergangenheit ruhen lassen, aber ich fürchte, meine Entscheidung ist hinfällig geworden. Wir werden uns treffen müssen. Es ist wohl besser, ihr kommt mich besuchen.“
„Ja, prima“, antwortete Eva. Sie war erleichtert, obwohl Johanna nicht sehr begeistert über ihren Besuch zu sein schien. „Ich werde mit Isabella besprechen, wann wir kommen können. Vielleicht wird sie dich auch alleine besuchen müssen. Ich weiß nämlich noch nicht, ob ich nächste Woche freibekomme. Mein Chef hat immer noch nicht entschieden, wer im Büro als Notbesetzung die Stellung halten soll.“
„Ihr müsst beide noch diese Woche kommen! Du musst unbedingt mit dabei sein, Eva. Ich will Isabella nicht alleine treffen.“
„Ach, lass doch die alten Geschichten gut sein.“
Isabella horchte auf. Ihr Lächeln wurde angespannt und um ihren Mund spielte ein spöttischer Zug. Sie schien genau zu wissen, was die Stimme am anderen Ende gesagt hatte.
Eva fuhr fort. „Es ist doch alles schon so lange her. Du kannst doch nicht immer noch sauer sein.“
„Ich war schon damals nicht sauer, wie du es nennst, und ich bin es auch jetzt nicht! Sei bitte nicht kindisch, Eva.“
„Also hör mal ...“
„Sei still!“, fuhr Jo Ann sie an. „Du musst auf jeden Fall mitkommen, weil wir drei uns unterhalten müssen. Am besten fahrt ihr gleich morgen los. Das Wasser auf dem Highway ist auch heute wieder ein gutes Stück zurückgegangen, er wird auf jeden Fall befahrbar sein.“
Eva schüttelte den Kopf und machte ein Handzeichen zu Isabella, das andeuten sollte, Johanna wäre übergeschnappt. „Was soll das? Unmöglich! Isabella hat für die kommende Woche noch Karten für die Spiele. Warum die plötzliche Eile? Erst rührst du dich ewig lang nicht, und dann, wenn es dir endlich in den Kram passt, sollen wir springen.“
„Weil ich euch ursprünglich gar nicht sehen wollte. Bei Gott nicht! Warum,
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