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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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wollte, in jeder Lautstärke. Man mußte nicht fortwährend Gefahr laufen, wegen Eigensinns attackiert zu sein, die Persönlichkeit war plötzlich nicht mehr von den Regeln des bürgerlichen Gesellschaftsapparates, der ein menschenverheerender Apparat ist, niedergemacht und zermalmt, fortwährend wird in den Städten von dieser schauerlichen Stupiditätsgröße wie Salzburg an den Menschen herumgezupft und herumgeschüttelt, und auf ihnen wird ununterbrochen herumgehämmert und zurechtgefeilt und so lange herumgehämmert und zurechtgefeilt, bis von dem Menschen nichts mehr übriggeblieben ist als ein widerwärtiger und geschmackloser Kunstgewerbemensch. Ganz abgesehen von den Kleinstädten, in welchen alles grotesk ist, ist in den mittelgroßen Städten alles darauf konzentriert, die Menschen zu Kunstgewerbemenschen zu machen, alles ist in diesen Städten gegen die menschliche Natur, und schon die Halbwüchsigen sind von A bis Z nurmehr noch Kunstgewerbe. Der heutige Mensch kann sich nur noch auf dem hundertprozentigen Land oder in der hundertprozentigen Großstadt bewahren, nur auf dem hundertprozentigen Land, das es noch gibt, und in der hundertprozentigen Großstadt, die es auch noch gibt, in diesen gleichen Voraussetzungen gibt es noch die natürlichen Menschen, hinter dem Hausruck und in London beispielsweise und wahrscheinlich in Europa nurmehr noch in London und hinter dem Hausruck, denn London ist heute in Europa die einzige wirkliche Großstadt, und die ist nicht auf dem Kontinent, aber immerhin in Europa, und hinter dem Hausruck finde ich noch das hundertprozentige Land. Sonst haben wir in ganz Europa nurmehr noch die Kunstmenschen, die in den Schulen zu Kunstmenschen gemacht worden sind, sehen wir gleich welchen Menschen in Europa, wir haben es mit einem Kunstmenschen zu tun, mit dem abstoßenden menschlichen Kunstgewerbe, das, in die Millionen, wer weiß in wie kurzer Zeit, in die Milliarden gehend, von den gigantischen, unaufhörlich und unerbittlich menschenfressenden Schulsystemen bewegt wird, ein einziger abstoßender industrieller Marionettismus dröhnt uns in den Ohren, wenn wir noch hören können, und kein einziger natürlicher Mensch. Hier in der Scherzhauserfeldsiedlung hatte ich möglicherweise den London- und Hausruckeffekt, damals war mir das nicht bewußt gewesen, ich gehorchte meinem Instinkt und war in die entgegengesetzte Richtung gegangen. Auf dem Höhepunkt der Verzweiflung und des Ekels war ich instinktiv in die richtige Richtung gegangen und, wie ich schon gesagt habe, gelaufen, aus der falschen Richtung endlich davongelaufen, davongerannt in die richtige. Und ich war allem, mit dem ich verbunden gewesen war, davongerannt, meiner Schule und meinen Lehrern und der Stadt meiner Schule und meinen Lehrern und meinen geliebten und ungeliebten Erziehern und Verwaltern und allen meinen lebenslänglichen Sekkierern und Irritierern und meiner ganzen konfusen eigenen Geschichte, indem ich der ganzen Geschichte davongerannt bin. Der die Kehrtwendung gemacht hat, rennt davon und rennt und rennt und weiß nicht, wohin er rennt, wenn er in die entgegengesetzte Richtung rennt. Ich war in die Scherzhauserfeldsiedlung gerannt, aber ich wußte nicht, was die Scherzhauserfeldsiedlung ist, ich vermutete, daß sie so und so sei, bis ich gesehen habe, daß sie so ist, wie ich geglaubt habe, daß sie sei. Mein Davonrennen hätte die totale Selbstzerstörung und Selbstvernichtung sein können, aber ich hatte Glück. Ich war im richtigen Augenblick zu den richtigen Menschen gekommen. Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt wie dann immer wieder, und ich hatte Glück gehabt. Weil ich nicht einen Augenblick nachgegeben habe, weil ich mir keine Schwäche gestattet habe. Was wäre geschehen, denke ich, wenn ich auf die Beamtin im Arbeitsamt gehört hätte, die schon nach ein paar Minuten mein Anliegen als eine Verrücktheit bezeichnet und mich nachhause geschickt hatte, wenn ich der Beamtin gehorcht hätte, wenn ich mich ihr nicht widersetzt hätte. Ich bleibe in ihrem Zimmer, bis sie mir die richtige Adresse gegeben hat, und zwar
die entgegengesetzte Adresse
. Sie hatte mich nicht verstanden, aber ich wußte, sie wird mir, bevor ich ihr Zimmer verlasse,
die entgegengesetzte Adresse
geben. Eher verlasse ich ihr Zimmer nicht. Ich war entschlossen, sie zu zwingen, mir
die richtige Adresse in der entgegengesetzten Richtung
zu geben. Ich hätte sie gewaltsam gezwungen. Es wird ihr oft untergekommen sein, daß ein

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