Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
deine, nicht mitmacht. Lass dir helfen. Verabrede einen neuen Termin aus, bitte Cara, mache es für uns drei.“
Cara schaute betreten drein. Sie presste ihre Lippen aufeinander und nickte.
„Ehrlich“, erklärte Leon erleichtert, „auf den Schock jetzt brauch ich noch was zur Beruhigung.“
Er öffnete eine weitere Flasche Wein. Cara sah ihm geistesabwesend zu, wie er sich abmühte, den abgebrochenen Korken aus dem Flaschenhals zu bekommen. Schließlich schaffte er es. Sie bückte sich etwas wankend, griff ein Glas vom Boden neben der Matratze und hielt es ihm hin. Leon füllte es fast bis zum Rand und trank es gleich zur Hälfte aus.
„Auch was?“
„ Ja, wär schon was, aber ich soll ja nicht.“
Cara umfasste mit beiden Händen das Glas und nippte einige Male. Dabei sah sie Leon in die Augen, angezogen durch seinen intensiven Blick. Sie glaubte, seine würden in ihren versinken. Leon liebte ihre Augen. Er hatte schon häufig ihre Einmaligkeit beteuert und tat es erneut.
„Noch nie zuvor in meinem Leben habe ich einen Menschen kennengelernt, der schwarze Haare, einen milchigen Teint und meerblaue Augen besitzt, deren Iris ein dunkler, fast schwarzer Ring umkreist. Das lässt deine Augen nicht nur unvergleichlich erscheinen, sondern auch unvergesslich.“
Cara lächelte. Seine Bewunderung rührte sie aufs Neue.
„Hast du eigentlich schon mal was von Persönlichkeitsstörung gehört?“, wechselte er unvermutet das Thema. Cara schüttelte überrascht den Kopf.
„ Wo sollte ich so was gehört haben?“
„ Ich frage mich, wie viele Personen es in dir gibt? Du kannst dich von jetzt auf gleich völlig verändern. Dein Gesichtsausdruck, deine Stimme und ich meine, dass sich eben sogar deine Augenfarbe verändert hat“, Leon räusperte, zögerte, „verändert hat bis hin ins Grünliche.“
Cara lachte ungläubig auf.
„Cara, lach nicht“, sagte er ernst, „ich hab keine Wahrnehmungsstörungen. Es ist, als wenn eine ganz andere Person in deinen Körper fährt. Ich weiß von dieser multiplen Sache, weil mein Vater und dieser Dr. Heinzgen sich öfter darüber unterhalten haben und Vater auch hier zu Hause so einiges darüber erzählt hat. Er hat Dr. Heinzgen bewundert, weil er sich sehr und immer für dieses umstrittene Krankheitsbild eingesetzt hat. Etwas muss ja dran sein. Ich seh’s doch an dir.“
„ Im neuen Jahr rufe ich ihn an“, versprach Cara. Aber sie sagte nicht, wann im neuen Jahr.
11
Satan repräsentiert alle der sogenannten Sünden, da sie alle zur körperlichen, geistigen und emotionalen Erfüllung führen.
(Satanisches Gebot)
Erst mit ihrem sechsten Lebensjahr hörten für Cara die nächtlichen Kellerbesuche auf. Sie hatten sich im Laufe der Jahre sukzessive reduziert, und die letzten Monate vor ihrem sechsten Geburtstag musste Cara es nur noch einmal im Monat ertragen. Wenn Nora sie nachts geweckt hatte, waren die Worte des Kindes jedes Mal dieselben. „Nein Mama, bitte nicht wieder in den Keller zu dem schwarzen Mann.“
Und jedes Mal hatte Nora geschwiegen, schaltete ihr Herz aus, weil sie nichts ändern konnte. Sie war nicht einmal in der Lage, Cara in den Arm zu nehmen und zu trösten. Das hätte sie als scheinheilig und als Verrat ihrer Tochter gegenüber empfunden. Cara kannte Mutters Verhalten. Jede nicht gezeigte Regung. Jede hastige Bewegung, mit der sie sie schnell anzukleiden versuchte, schweigend, mit einem abwesenden Gesichtsausdruck. Warum Cara dennoch beständig diesen Satz aussprach, wusste sie selbst nicht. Es war wie ein Ritual, gehörte zu dem Grauen der auf sie zukommenden Nacht.
Bis zum Zeitpunkt der Einschulung 1990 waren die nötigen Programme in Cara unvergesslich gesetzt. Jedoch fand alle paar Monate ein Test als auch eine Nachschulung statt. Sie würde funktionieren und alles tun, was immer auch von ihr zum trügerischen Wohle des satanischen Kultes verlangt würde.
Sie besuchte die gleiche Schule in Berlin wie seinerzeit ihr Vater Simeon und erlitt dieselben verletzenden Angriffe und Kränkungen. Für sie war es in ihrer Sensibilität noch leidvoller als vor Jahren für ihren Vater.
Nicht nur in der Sekte hatte sich das Leben härteren Gesetzen zu stellen. Viktor herrschte erbarmungslos über seine Glaubensbrüder. Auch lebte er jedes Mal rücksichtsloser seine sadistischen Neigungen aus. Er näherte sich seinem sechzigsten Lebensjahr, Körper und Geist waren vom Alkohol und härteren Drogen zerfressen. Je drakonischer Viktors
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