Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Schläfen.
„Ich weiß schon jetzt, dass ich sie immer wieder in den Hintern treten muss, weil sie bestimmt Schiss bekommt. War doch in Indien auch so’, sorgte sich die sonore Stimme weiter.
Cara stöhnte auf. Mein Gott, ängstigte sie sich, jetzt bin ich wieder wahnsinnig. Ihr Körper reagierte sofort mit heftigem Zittern. Unvermittelt schob sich ein Bild vor ihre Augen. Das Antlitz ihres Vaters Simeon Vronhoff. Das Gesicht des leibhaftigen Teufels. Sie sah die ausgeprägte Falte zwischen den zusammengezogenen Augenbrauen und die düster dreinblickenden Augen darunter, die sie anstarrten, als wollten sie ihren Schädel durchbohren. Sie verlangten unerbittlich. Schaudernd schleppte sich Cara bis zur Haustür und rutschte langsam auf die Eingangsstufe. Aus dieser Stellung starrte sie in den Regen. Simeon. Seine Gestalt wollte nicht aus ihrem Gedächtnis weichen. Den Kragen seiner Lederjacke hatte er schützend hochgeschlagen. Blickte sie mit gepressten Lippen an, wobei seine scharfen Längsfalten seitlich der Nase bis hinunter zu den Mundwinkeln ein mystisches Lächeln auf diesen Lippen andeuteten. Ein Lächeln, das immer sagte, ich habe recht. Ich bekomme alles. Alle haben zu tun, was ich will. Sie schlug die Hände vor ihre Augen und flüsterte beschwörend: „Weiche von mir, Satansvater, weiche von mir.“
Später im Bad wusch sich Cara minutenlang die Hände. Sie begannen bereits, sich zu röten, als sie abrupt innehielt. Sie hatte sich doch nicht getäuscht, es klopfte sachte von innen gegen ihre Bauchdecke. Ein breites Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie war jetzt gerade im fünften Monat. Nun würde sie sich Leons Drängen, endlich einen Frauenarzt aufzusuchen, nicht länger widersetzen können. Auch Dr. Baur hatte sie schon mehrfach dazu aufgefordert. Er kam zweimal die Woche und sah nach ihr. Cara war sicher; er ahnte das Geheimnis, welches sie und Leon verband. Dr. Baur, dachte sie plötzlich zärtlich. Er war ihnen beiden wie ein liebevoller Vater. Suchte den Kontakt. Sicher fühlte er sich sehr einsam. Beim letzten Besuch hatte er sie mit einem selbst gebackenen Apfelstrudel überrascht und stolz verkündet: „Den habe ich nach einem Rezept meiner verstorbenen Frau gebacken.“
Cara sah einen nötigen Besuch beim Frauenarzt nicht recht ein. Sie wusste aus Erfahrung, dass auch ohne diese Untersuchungen gesunde Kinder zur Welt kamen. Bedächtig drehte sie den Wasserhahn zu. Ihre Hände brannten. Behutsam wickelte sie ein Handtuch darum. Betrachtete sich im Spiegel. Sie fand sich noch blasser als sonst üblich. Die Haare schienen ihr Volumen verdoppelt zu haben. Außerdem empfand Cara sie als viel zu lang. So wie sie mussten früher die Hexen ausgesehen haben. Bei dem Gedanken lachte sie sich im Spiegel an. Einen Moment spürte sie Glück. Sie würde ein Baby haben und nicht mal über ihre Leiche würde sie es hergeben. Das hätte sie jetzt nicht denken sollen. Furchtbare, kaum auszuhaltende Schmerzen in der Brust spülten den glücklichen Moment mit Orkanstärke fort. Sie schüttelte sich, das Handtuch fiel von ihren Händen auf den Boden. Sie versuchte, die Gefühle fortzujagen, bevor sie völlig von ihr Besitz ergriffen. Andernfalls dann würde sie sich in verzweifelter Qual die Augen dick und wund heulen. Tagelang unter unsäglichen Kopfschmerzen leiden und ein Stimmenwirrwarr in sich wahrnehmen, das sie schon knapp einige Male um den Verstand gebracht hatte. Vaters volltönende Stimme erklang in ihren Ohren: „Du hast im Auftrag des Höchsten eine ehrenvolle Pflicht zu erfüllen, durch deren Erfüllung der Höchste vor allem und nicht minder alle Glaubensbrüder und -schwestern Kraft und Stärke erlangen.“
Leon hatte ihr in den langen Nächten in Indien beschwörend erklärt, alles sei Unsinn, sie Mörder wären und nichts auf der Welt ein menschliches Opfer rechtfertigen würde. Cara verzettelte sich in ihren Gedanken. Sie zwang sich, zurück zum Ausgangspunkt zu kommen. Ausgangspunkt, das war der Keller gewesen, ach ja, Keller, eine Heizung, schoss es ihr durch den Kopf. Und eine Matratze, Decken und und und. Das leichte Plopp nahm sie als Aufforderung und eilte hinüber zum Schuppen. Da würde sie bestimmt fündig werden. Und sie behielt recht. Aber morgen war auch noch ein Tag. Sie hatte gerade die Haustür hinter sich geschlossen, als Leon in den Hof einfuhr.
Kurze Zeit später lagerten auf dem Küchentisch mehrere Einkaufstüten. Cara war dabei, ihren Inhalt zu versorgen, als
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