Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
freigab. Als sie glaubte, dies sei geschehen, hastete sie die Treppe hoch, ließ alles so, wie es war und rannte aus dem Gesindehaus. Erst draußen, als der unvermittelt einsetzende Regen in ihr Gesicht prasselte, kam Cara wieder zu sich. Sachte schob sie die angelehnte Haustür auf. Ihre Gedanken setzten dort wieder an, wo sie unten im Keller aufgehört hatten. Gummihandschuhe und Müllbeutel rief sie ihre geistige Speicherung ab. In der Küche im Putzschrank wurde sie fündig.
Ruhig und gefasst suchte sie den gerade erst verlassenen Ort wieder auf. Vorsichtig entfernte sie die Glasscheiben von den Gefäßen. Noch behutsamer legte sie diese auf die Teppichstücke. Akribisch bereitete sie zwei Mülltüten vor, streifte die Gummihandschuhe über und griff sich den Katzenkopf aus der Formaldehydlösung. Tropfend verschwand er im ersten Müllsack. Danach folgte das Huhn und landete im zweiten. Sie verknotete beide Säcke zweimal und betrachtete sie versonnen. Ob Leon überhaupt noch daran dachte, was sich hier unten verbarg? Er wollte von der Vergangenheit nichts mehr wissen und beschäftigte sich nur noch mit ihr, wenn es unumgänglich war. Somit standen die Chancen gut, dass er diesen Keller nicht aufsuchen würde.
Wie kalt es hier unten war, durchfuhr es sie. Also benötigte sie etwas zur Erwärmung des Raumes. Selbst, wenn es draußen fortschreitend wärmer würde, bis hier unten drang davon kaum etwas durch die dicken Mauern. Sie blickte zur Tür und atmete erleichtert durch, als sie die einzige Steckdose unter dem Lichtschalter sichtete, nachträglich auf Putz gearbeitet. Ein elektrischer Heizkörper wäre gut, wie er auch früher in Berlin in einigen Räumen gestanden hatte. Sie musste in die Stadt, ließ den Gedanken aber sofort weiterziehen. Wie sollte sie, ohne aufzufallen, so einen elektrischen Heizkörper hierher transportieren? Aber vielleicht versteckte sich so ein Teil hier irgendwo im Haus oder im Schuppen. Sie beruhigte sich, es gab ja auch kleinere Ausführungen. Cara richtete soweit alles wieder her, wie sie es vorgefunden hatte. In der einen Hand die beiden Müllsäcke schloss sie mit der anderen sorgfältig die Tür ab. Mehrmals überzeugte sie sich, ob sie auch tatsächlich abgesperrt war, und suchte anschließend einen anderen Stein am Ende der Rabatte aus, unter dem sie den Schlüssel deponierte.
Leon würde bald kommen. Sie inspizierte die Tonne für den Restmüll. Eilte in den Schuppen, kramte einen kleinen Handrechen unter den vielen Gartengräten hervor und stocherte damit in der Tonne herum, bis die beiden Säcke unter dem bereits vorhandenen Müll nicht mehr sichtbar waren. Sie schloss behutsam den Deckel, als könnten die beiden Wesen durch einen heftigen Schlag erweckt werden, aus der Tonne springen und alles verderben. Sie horchte tatsächlich einen Moment. Nichts rührte sich. Eilig verstaute sie wieder den Rechen an seinem Platz und sah zufrieden aus sicherer Entfernung vom Schuppen aus die Mülltonne an. Sie seufzte. Der Anfang war gemacht. Unvermittelt stockte ihr Herzschlag. Täuschte sie sich oder hatte sich in ihr etwas bewegt? Ganz sanft, als würde jemand mit dem Finger von innen gegen die Bauchdecke tippen, kaum spürbar. Aber sie kannte dieses erste, zarte Plopp, Plopp! Lächelnd schob sie beide Hände unter die dicke Daunenjacke und presste sie behutsam gegen ihren Bauch. Aber nichts weiter geschah. Es war wohl nur Einbildung gewesen. Sie horchte nach innen. Nein, nur nicht, dachte sie, denn unvermutet geschah etwas anderes. In der nächsten Sekunde versteinerte sich Caras Gesicht. Heftig bewegte die ihren Kopf hin und her, aber die Geräusche ließen sich nicht wegschütteln.
„Glaubst du“, zweifelte eine sonore Stimme in ihr, „dass Cara schafft, was sie sich da vorgenommen hat“?
„ In Indien hat sie doch auch alles geschafft“, antwortete eine Singstimme.
Verzweifelt presste Cara die Hände fester auf ihren Bauch. Wie konnte sie sich bloß gegen diese inneren Zwiegespräche schützen? Sie war gezwungen, weiterhin zuzuhören. Es blieb ihr keine Wahl.
„Woher sollen wir denn wissen, wann wir beginnen sollen?“, fragte die Singstimme nun doch leicht besorgt.
„ Cara ist sensibel“, antworte die sonore. „Sie wird spüren, wann sie beginnen muss und dann schreiten wir ein. Du weißt ja, dass sie unsere Hilfe braucht, so, wie sie diese immer gebraucht hat.“
Beinahe panisch zog Cara die Hände unter der Daunenjacke hervor und drückte sie gegen die
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