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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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vierten oder den oberen zweiten Gang.
    Zwanzig Meilen oberhalb und östlich von Hazard verläuft ein kleiner Schneegürtel, der sich im Winter bis hinunter zum Kreisel und der Stadt erstreckt. Aber in dieser Jahreszeit, zu der wir unterwegs waren, bemerkt man ihn erst, wenn er schon hinter einem liegt. Dann wird es zu hoch für Schnee und gleichzeitig zu hoch, um noch atmen zu können. Ich kam um 2:10 A.M. aus den Wolken hervor, und es dämmerte fast schon. »Es graut dem Morgen«, pflegte Janet zu sagen, als sie damals mit mir fuhr, bevor die Mädchen geboren wurden. Oberhalb von hunderttausend Fuß sind die Tage im Sommer neunzehn Stunden lang.
    Ich war versucht, den Jungen aufzuwecken. Hinter und unter mir dehnte sich in den großen Rückspiegeln ein Meer aus Wolken zweihundert Meilen weit aus. Neunzig Prozent der Erdatmosphäre lagen unter uns. Man kann Kentucky und Tennessee nie wirklich von hier oben erkennen, sondern nur deren ständiges Wolkendach. Die Wolken werden vom Westen durch den Jetstream herangeschoben und türmen sich wie Schaum an der Westflanke des Tafelberges in einer Länge von zweitausend Meilen auf, von Maine bis nach Alabama. Von der Hochebene aus gesehen ist es so schön, wie es vom Boden aus trübe ist. Die Wolken fraßen ganz Lexington, um Pittsburgh, Huntsville und hundert andere kleine Städtchen im Norden und Süden gar nicht zu erwähnen, an die sich keiner mehr erinnert.
    Ich ließ den Jungen schlafen und legte Loretta Lynn auf. Aus irgendeinem Grund mag ich auf der Hochebene Sängerinnen lieber.
    Nach einer Fahrt von einigen weiteren Stunden sind die Wolken hinter der Masse des Berges verborgen. In jeder Richtung sieht man nichts anderes mehr als Steine und Himmel, knochenweiß und blauschwarz. Die Sterne sehen aus wie Eisstückchen, die zu kalt sind, um zu funkeln. Draußen sind es hundert Grad minus, und man ist auf einer Höhe von 122.500 Fuß. Wenn man nach Landhummern sucht, kann man sie von hier an finden.
    Der Junge erwachte, setzte sich auf und rieb sich die Augen. Vierzig Meilen lang sagte er nichts. Das war mir angenehm, denn wenn man seine Blicke über die Hochebene des Tafelberges schweifen läßt, gibt es einfach nichts mehr zu sagen. Das ist mein Lieblingsteil der Route. Je höher man kommt, desto leerer und flacher wird es. Ich stelle mir immer vor, daß die Schöpfung so ausgesehen haben muß, bevor die Pflanzen und Tiere in Angriff genommen wurden, und daß sie wieder so aussehen wird, wenn alles vorüber ist.
    Etwa in der Mitte der Hochebene spiele ich immer Patsy Cline ab, und wenn Sie nicht wissen, warum, fragen Sie erst gar nicht.
    Von Knoxville ist keine Spur mehr zu sehen. Und keine Spur von Asheville. Während der acht Jahre der Bodenerhebung ließ die konstante Hochfrequenz-Vibration, die von der Kuppe ausging, den Boden zu Brei werden, und das meiste davon floß in die Spalten, die sich im Untergrund öffneten, oder es floß wie Wasser in Zeitlupe schichtweise den Berg herunter, wobei es die Bäume und das, was von den Städten noch übrig war, mit sich riß. Sogar noch in Nashville konnte man den Berg ächzen hören. Die Hochebene sieht wie blankgescheuert aus; nur da und dort gibt es lange, flache Gräben, die mit Holz und Resten von Abfall angefüllt sind. Diese Gräben sind alles, was von den mächtigen Wäldern und Städten übrig geblieben ist. Wenn man sie anschaut, rückt es den eigenen Stolz unwillkürlich in die richtige Perspektive.
    Die Straße über die Ebene des Tafelbergs ist gerade, und die Abhänge sind sanft: Weniger als drei Prozent Steigung auf einer Länge von vierzig Meilen, dann dasselbe Gefälle für noch einmal vierzig Meilen. Die Straße besteht abwechselnd aus der alten 23iger und der Interstate 40. Hier können die Tafelberg-Trucker einen Gang zulegen und sich rollen lassen, um die Zeit wieder hereinzuholen, die sie damit verbracht haben, im ›Blue Balls‹ Dampf zu schnüffeln.
    Die holzgefüllten Gräben sind der richtige Ort, um nach Landhummern zu suchen.
    »Mein Paps hat einmal einen verkauft«, sagte der Junge. Er hielt angestrengt nach einem von ihnen Ausschau; vielleicht dachte er, ich würde anhalten und einen erlegen. Er wußte nicht, wie schwer sie umzubringen waren.
    Dein Vater muß den Hummer entweder im Tausch bekommen oder einem Tafelberg-Trucker geklaut haben, dachte ich mir, denn diese Tiere wandern niemals bis nach Hazard hinunter, aber das behielt ich für mich.
    »Er hat hundert Dollar dafür bekommen.

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