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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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positives Denken , wie sie sagen. Danach habe ich selbst Fragen gestellt, um den Schein von gegenseitigem Interesse zu wahren. Ich habe noch das eine oder andere Kompliment eingestreut – das erfreut das Gegenüber und sorgt für gute Stimmung.
    »Eine schöne Wohnung haben Sie, wirklich sehr angenehm.«
    »Das stimmt«, antwortete Fernand, »da haben wir Glück gehabt, angesichts der Wartelisten.«
    »Das haben wir Monsieur Kauffmann zu verdanken«, fügte Lucienne hinzu.
    Ich erschauerte, und Fernand räusperte sich. Lucienne ignorierte das und fuhr mit melancholischer Miene fort:
    »Er hat sich persönlich beim Wohnungsamt für uns eingesetzt, weißt du noch, Fernand? Er war so lieb …«
    Ihre Lider flatterten, sie wirkte etwas verloren. Entgeistert fragte ich:
    »Haben Sie Monsieur Kauffmann etwa auch gekannt?«
    »O ja, ich habe ihn gut gekannt …«
    Fernand stand abrupt auf.
    »Ich hole die Nachspeise. Kommst du bitte mit, Lila? Ich brauche deine Hilfe.«
    Ich folgte ihm in die Küche, während Lucienne sitzen blieb und die dritte Heuschrecke anstarrte, die sie nicht angerührt hatte.
    Fernand stellte drei Schälchen mit Fruchtcreme auf ein Tablett. Ich sah ihm schweigend zu und wartete auf seine Anweisungen.
    »Nimmst du bitte drei kleine Löffel aus der zweiten Schublade?«
    Ich nahm die Löffel und reichte sie ihm.
    »Danke.«
    »Sie haben mich doch nicht wegen dieser drei Löffel in die Küche gebeten?«
    Er antwortete nicht.
    »Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Ihre Frau Monsieur Kauffmann kannte?«
    Er ordnete die drei Löffel vollkommen gleichmäßig auf dem Tablett an.
    »Wie hat sie ihn kennengelernt?«
    »…«
    »Sie wollen es mir also nicht verraten?«
    »Doch, Lila, selbstverständlich. Es ist weder ein Geheimnis noch eine Schande. Ich möchte nur nicht darüber sprechen, solange Lucienne nebenan sitzt. Sie ist … Der Tod von Monsieur Kauffmann hat sie schwer getroffen. Die letzten Monate waren sehr schwierig. Ich will sie nicht noch mal damit konfrontieren. Verstehst du?«
    »Sie hätten mich wenigstens vorwarnen können.«
    »Ich weiß, Lila, du hast recht. Wir unterhalten uns später darüber, einverstanden?«
    »Na gut, Fernand, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Den Nachmittag über plauderten wir, als ob nichts gewesen wäre. Während ich mit Lucienne sprach, hielt ich die Fragen zurück, die mir auf der Seele brannten – Fernand würde mir nicht so leicht davonkommen. Lucienne wirkte erschöpft, aber glücklich. Ab und zu lachte sie schallend über eine meiner Bemerkungen. Das war seltsam, dieses unerwartete Lachen aus vollem Hals, diese Fröhlichkeit, die sie einen Augenblick lang in einem ganz anderen Licht zeigte. Mir war nicht klar, was an meinen Worten so komisch gewesen sein sollte, und das verwirrte mich ein wenig. Fernand schien entzückt zu sein.
    Als er gegen 17 Uhr vorschlug, mich ins Heim zurückzubegleiten, war ich erleichtert. Für dieses gesellige Miteinander hatte ich mich restlos verausgabt, ich brauchte dringend wieder meine Ruhe. Bevor wir gingen, fragte ich Lucienne:
    »Wo finde ich das Scheißhäuschen?«
    Erneut brach sie in Lachen aus. Mir kam das wieder einmal merkwürdig vor, aber ich war zu müde, um nachzufragen. Weil sie mit dem Lachen gar nicht mehr aufhörte, antwortete Fernand an ihrer Stelle:
    »Letzte Tür links, am Ende des Flurs.«
    Letzte Tür links – eine unmissverständliche Angabe. Ich weiß nicht, was mich geritten hat, vielleicht lag es an meiner Erschöpfung: Am Ende des Flurs angelangt, öffnete ich die rechte Tür.
    Dahinter war ein kleines, blassgelb gestrichenes Zimmer, in dem eine weiße Wiege mit durchsichtiger Schutzhülle stand, ein niedriger Stuhl aus hellem Holz, ebenfalls unter einer Schutzhülle, ein Wickeltisch, Regale voller Produkte für die Babypflege – Kamm, Fläschchen, Säuglingswaage, ein Frontal-Thermometer, alles steril verpackt. Das wirkte unheimlich, fast beängstigend, diese ausnahmslos umhüllten Möbel und Gegenstände, und dazu die Kamera, die reine Leere überwachte.
    Ich wollte gerade die Tür schließen, als mir das Cello ins Auge fiel, es lehnte in einer Ecke an der Wand. Da spürte ich die Anwesenheit eines anderen. Ich drehte mich um. Es war Fernand.
    »Ich … ich habe mich wohl geirrt.«
    »Hier bist du richtig«, antwortete er schlicht und deutete auf die Tür gegenüber.
    Danach haben wir zum Glück nicht mehr lange getrödelt. Ich hätte es kaum länger durchgestanden. Als Lucienne mir zum Abschied

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