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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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bemüht, sah ich verstohlen auf meine Uhr: Es war Schlag neun. Eigentlich finde ich es sonst immer sehr befriedigend, auf die Sekunde pünktlich zu erscheinen. Aber diesmal trug das nicht zu meiner Beruhigung bei.
    »Guten Morgen, Mademoiselle K. Treten Sie doch bitte ein«, sagte Monsieur Copland.
    Wir haben uns die Hände geschüttelt. Das kostete mich einige Überwindung, doch ich wusste, dass es unvermeidlich war und ich dieses eklige, furchtbar unhygienische Ritual noch des Öfteren würde wiederholen müssen. Copland sah taktvoll über meine feuchte Handfläche hinweg. Er forderte mich auf, Platz zu nehmen, und setzte sich ebenfalls. Kurz hatte ich das Gefühl, dass es über meine Kräfte ging, mit einem Unbekannten ein Gespräch unter vier Augen zu führen. In diesem Augenblick kam ich mir einsam und ausgeliefert vor. Zum Glück stand zwischen uns noch der Schreibtisch.
    »Ich heiße Sie bei uns willkommen, Mademoiselle«, begrüßte mich Copland. »Fernand Jublin hat mir schon viel von Ihnen erzählt, wissen Sie.«
    »Nein, wusste ich nicht.«
    Ich habe mich nicht getraut nachzufragen, was genau Fernand ihm erzählt hatte. Vom Zentralheim hatte Copland längst detaillierte Unterlagen erhalten, dazu noch die komplette Chronik meines Grammabooks – also wusste er ohnehin bestens über mich Bescheid.
    »Ich habe Sie eingeladen, um Ihnen Ihre künftige Arbeit in groben Zügen zu erläutern und Sie ein wenig mit den Örtlichkeiten vertraut zu machen.«
    »Das weiß ich zu schätzen.«
    »Monsieur Jublin hat Ihnen bestimmt schon gesagt, dass es bei Ihrem Posten um die Digitalisierung von Druckerzeugnissen geht – vorwiegend Zeitungen. Sie werden diese Dokumente scannen, anhand verschiedener Codes archivieren und mit signaletischen Merkmalen versehen. Eine verhältnismäßig einfache Arbeit, die allerdings große Sorgfalt erfordert. Ein Posten der Kategorie E. Der weder Eigeninitiative noch die Übernahme von Verantwortung erfordert. Man erwartet lediglich, dass Sie Ihre Aufgabe gründlich und genau ausführen.«
    »Das kommt mir sehr entgegen.«
    Copland gab vor, etwas im Grammabook nachzulesen, das vor ihm lag.
    »Ich habe hier ein Schreiben von Fernand Jublin; demnach ist er der Ansicht, dass diese Tätigkeit Ihren Fähigkeiten bei weitem nicht angemessen ist. Ihm zufolge hätten Sie durchaus Anspruch auf einen Posten der Kategorie A. Wie sehen Sie das?«
    »Ich sehe das so: Fernand Jublin überschätzt mich. Die Arbeit, die Sie mir anbieten, ist genau das, was ich suche.«
    »Dann belassen wir es vorerst dabei, Mademoiselle. Sollten Sie später aber bessere berufliche Perspektiven anstreben, können wir diese Entscheidung gern noch einmal überdenken.«
    »Vielen Dank, Monsieur.«
    Er nickte.
    »Gleich werde ich Sie Mademoiselle Garcias Obhut anvertrauen, damit sie Ihnen die Räumlichkeiten zeigt und Sie in die Arbeit einweist. Zuvor muss ich Sie laut Gesetz allerdings über die Risiken Ihrer künftigen Tätigkeit aufklären: Die Handhabung von Papiervorlagen kann zu Hautallergien und Atembeschwerden führen. Darum fordere ich Sie auf, die hier geltenden Sicherheitsbestimmungen peinlich genau einzuhalten: Handschuhe sind in jedem Fall vorgeschrieben, bei schadhaften Dokumenten außerdem noch ein Mundschutz. Die detaillierten Vorschriften finden Sie auf der Lamellette, die Mademoiselle Garcia Ihnen aushändigen wird. Ich darf Sie bitten, alles aufmerksam durchzulesen, den Vertrag zu unterschreiben und so bald wie möglich an uns zurückzusenden.«
    »Natürlich, Monsieur«, erwiderte ich, völlig erschlagen von dieser Flut haarsträubender Vorsichtsmaßnahmen, was Copland nicht entging. Er räusperte sich.
    »Fernand Jublin hat mir berichtet, dass Sie jahrelang Zugriff auf alte Bücher hatten.«
    »In der Tat, Monsieur.«
    »Sie dürften diese Vorschriften also längst kennen.«
    »Eigentlich … eigentlich nicht. Ehrlich gesagt, habe ich nie Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Ich habe die Bücher mit bloßen Händen angefasst.«
    Er starrte mich entsetzt an.
    »Und das hat man im Zentralheim zugelassen?!«
    Ich schwieg.
    »Das ist ja unerhört. Wie kann man ein Kind nur solchen Gefahren aussetzen? Ich halte das für einen Skandal!«
    »Aber mir … mir ist nie etwas passiert. Ich hatte keinerlei Allergien oder sonstige Beschwerden.«
    »Da können Sie von Glück reden, Mademoiselle, und das Zentralheim ebenso.«
    »Das ist mir durchaus bewusst, Monsieur«, murmelte ich ergeben – einem Mann wie Copland durfte

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