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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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man auf keinen Fall widersprechen.
    Kurz darauf beendete er die Unterredung, hieß mich noch einmal willkommen und übergab mich Mademoiselle Garcia, einer Blondine mit makellosem Gesicht und hohen Wangenknochen. Sie glich der Empfangsdame aufs Haar, als entstammten beide der gleichen Serienproduktion. Auch sie zuckte bei meinem Anblick unmerklich zusammen. Das war der endgültige Beweis, dass ich irgendeinen mir schleierhaften Fauxpas begangen hatte. Ich nahm mir fest vor, Fernand bei nächster Gelegenheit darauf anzusprechen.
    »Hier«, sagte die Blondine nicht gerade freundlich. »Das ist Ihre Marke. Damit gelangen Sie in den 120 . Stock – dort werden Sie arbeiten. Die Digitalisierungsabteilung erstreckt sich über vierzig Stockwerke, aber die Angestellten erhalten jeweils nur Zugang zu jenem, in dem sich ihre Arbeitszelle befindet. Aus Sicherheitsgründen. Gut, und jetzt werde ich Sie herumführen, kommen Sie.«
    Wir fuhren mit dem Aufzug in den 120 . Stock. Ich folgte ihr in den breiten holzgetäfelten Flur. Nach einigen Metern blieb die Blondine stehen.
    »Das ist das Büro von Monsieur Templeton, dem Abteilungsleiter.«
    »Ich dachte, Monsieur Copland sei der Abteilungsleiter?«
    Sie verdrehte die Augen.
    »Monsieur Copland ist stellvertretender Abteilungsleiter. Über allen steht Monsieur Templeton, wie Sie sehen«, erklärte sie und zeigte auf das Türschild. »Sie können doch lesen?«
    Ich spürte, wie ich rot wurde.
    »Monsieur Templeton hält sich zurzeit dienstlich in der Zone auf. Er wird erst in einigen Monaten zurückkehren. Einstweilen müssen Sie sich an Monsieur Copland wenden, falls Sie ein Problem haben. Verstanden?«
    Allmählich ging sie mir wirklich furchtbar auf die Nerven, mit ihrer Plastikfresse und ihrer aufgeblasenen Art, aber ich hielt mich lieber zurück. Unterwürfig, fast ängstlich stammelte ich: Ja, ich habe verstanden. Ein zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab.
    Durch die Jalousienschlitze spähte ich in das große verglaste Büro. Überall stapelten sich Papierdokumente, auf dem Tisch, in den Vitrinen. Und sie steckten alle in hermetisch versiegelten Schutzhüllen. Auf einem Sideboard lag eine Sammlung antiker Füller aus. An den Wänden hing eine Serie von Porträts, Männer, Frauen und Kinder, die ohne zu lächeln in die Kamera geschaut hatten und mir auf Anhieb seltsam vertraut erschienen.
    »Und jetzt weiter«, knurrte die Blondine. »Ich hab schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Fügsam folgte ich ihr – ein dominantes Weibchen sollte man niemals verärgern. Vom Flur gingen lauter kleine verglaste Zellen ab, in denen Mitarbeiter Zeitungsseiten einscannten. Ihre Handschuhe reichten bis zu den Ellenbogen. Keiner von ihnen hob auch nur einmal den Blick.
    »Die Waschräume sind hier. Jeder Angestellte verfügt am Arbeitsplatz über ein eigenes Fach für persönliche Gegenstände. Hier sehen Sie einen Gemeinschaftsraum mit Getränke- und Snack-Automaten, dafür ist es strengstens untersagt, in den Zellen zu essen. Kommen Sie, jetzt zeige ich Ihnen Ihre Zelle.«
    Der Flur machte rechts einen kleinen Knick und endete nach wenigen Metern abrupt vor einem Notausgang. Dort befand sich nur noch eine Zelle. Sie war leer.
    »Ein alter Wandschrank, der umgebaut wurde. Hoffentlich werden Sie sich darin wohl fühlen«, erklärte die Blondine leicht spöttisch.
    »Sie ahnen ja nicht, wie sehr!«
    Sie starrte mich verblüfft an. Vermutlich hielt sie es für einen Witz. Ich hatte es aber nicht als Witz gemeint: Ein dunkles, enges Kabuff am äußersten Ende eines langen Flurs – was hätte ich mir Besseres erträumen können! Wenig Licht, kaum Laufpublikum, ich würde meine Ruhe haben. Natürlich gab es da noch die Kamera, die an der Wand gegenüber der Verglasung angebracht war. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass man eine Kamera stets austricksen kann.
    Ich benötigte keine zwei Stunden, um den Gebrauch des Scanners zu erlernen. Die Blondine zeigte mir, wie man die Papiervorlagen am besten handhabte und die Kodierung ausführte. Das war alles recht einfach.
    »Sie bekommen jeden Tag eine bestimmte Seitenanzahl zugeteilt. Zunächst nur in begrenztem Umfang, bis Sie genug Übung haben. Jedes Dokument ist mit präzisen Anweisungen versehen, sodass Sie die Striche und anderen Bearbeitungen nicht selbst bestimmen, sondern nur ausführen müssen.«
    Ich nickte. Die Blondine fuhr fort:
    »Die Streichungen müssen wie vorgeschrieben kenntlich gemacht werden.«
    Sie

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