Die Ballade der Lila K
steht …«
»Das geht schon seit drei Jahren so. Er frisst praktisch nicht. Ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben ist.«
»Und man kann wirklich nichts für ihn tun?«
»Im Veterinäramt hat man mir geraten, seinem Leiden ein Ende zu setzen.«
»Das bedeutet … eine Euthanasie?«
Er nickte.
»Die Tierkliniken führen sie mit großer Sorgfalt durch, genau wie unsere Krankenhäuser. Man hat mir zugesichert, dass Pascha nicht das Geringste spüren würde. Das Formular habe ich schon vor Monaten erhalten. Ich müsste es nur noch ausfüllen.«
Ich musterte das kahle Köpfchen mit den geschlossenen Augen, das fast ganz unter der Decke verschwand.
»Und was werden Sie tun?«
»Ich gebe mir noch ein bisschen Zeit, ich meine ihm . Das ist eine schwere Entscheidung. Immerhin gehört er Lucienne, verstehst du?«
Natürlich verstand ich. Behutsam beugte ich mich über Pascha und führte die Hand an seine eiskalte Schnauze. Sofort schlug er die Augen auf. Sie waren so leuchtend nilgrün wie eh und je, mit diesem schwindelerregenden Schimmern.
»Pascha …«
Er hob den Kopf. Spannte den ganzen Körper an.
»Pascha, ich bin’s. Weißt du noch, Pascha?«
Er gab ein schwaches, heiseres Miauen von sich.
»Bleib liegen, mein Guter, mein Lieber.«
Aber das wollte er nicht. Er stemmte sich mühsam auf die Beine. Die Decke glitt weg und enthüllte seinen ausgemergelten Körper.
»Ach, Pascha!«
Er kroch auf mich zu, bis zur Sofakante. Vor Anstrengung traten seine Halsadern hervor.
»Mein Schöner, mein Lieber …«
Ich breitete die Arme aus.
»Komm, Pascha.«
Wieder miaute er, mit erhobener Schnauze und bebenden Nasenlöchern. Seine Beine zitterten, zum Springen war er zu schwach. Ich ging in die Hocke und fing ihn vorsichtig auf. Er wog so gut wie nichts. Ich schloss ihn in die Arme.
»Mein Schönster, mein Liebster.«
Ich legte ihm die Hand auf die Seite und spürte sein pulsierendes Blut, seinen unaufhörlichen Herzschlag. Er lebte.
»Ja, so ist’s fein.«
Er schmiegte den Kopf in meine Ellenbogenbeuge und schloss die Augen.
»Unglaublich«, sagte Fernand. »So hat er sich von mir nicht mehr in den Arm nehmen lassen seit … du weißt schon. Sonst will er von niemandem angefasst werden.«
»Sie stellen es einfach nicht richtig an«, antwortete ich und drückte Pascha noch fester an meinen Bauch.
Fernand lächelte traurig.
»Mag sein … Möchtest du etwas trinken?«
»Nein. Ich möchte nur noch ein bisschen mit ihm dasitzen.«
Als ich Pascha schließlich wieder auf das Sofa legte, wachte er nicht auf. Ich deckte ihn zu und hatte dabei das seltsame Gefühl, ein erschöpftes Kind ins Bett zu bringen.
»Du solltest ihn viel öfter besuchen«, murmelte Fernand.
Ich erwiderte:
»Wenn Sie wollen.«
Er lächelte, dann ging er unsere Mäntel holen. Ich nutzte die Gelegenheit, um eine Dose aus dem Küchenschrank zu stibitzen.
Die Idee kam mir noch am selben Abend, bei meinem einsamen Festmahl – dem ersten seit drei Jahren. Ich musste nur den richtigen Moment abpassen, um Fernand darauf anzusprechen.
Ein paar Tage später besichtigten wir ein weiteres Mal mein Apartment, um zu sehen, wie man die Möbel, die ich bestellen wollte, am besten platzierte. Danach fragte Fernand:
»Lila, kommst du bitte noch mal mit, um Pascha Lebewohl zu sagen?«
»Heißt das …«
Er nickte.
»Ich habe mich dazu durchgerungen. Das Formular ist bereits ausgefüllt.«
»Wollen Sie das wirklich tun?«
»Ja. Es bringt doch nichts, ihn so leiden zu lassen.«
»Vielleicht gibt es noch eine andere Lösung.«
Er ballte die Fäuste und schüttelte den Kopf.
»Hören Sie sich meinen Vorschlag wenigstens an, Fernand! Ich könnte mich um Pascha kümmern.«
Er sah mich fragend an.
»Sie wissen ja, wie sehr mein Herz an diesem Kater hängt, und Sie haben selbst gesagt, dass es Pascha bessergeht, wenn ich bei ihm bin. Wir könnten es jedenfalls probieren.«
Er schwieg.
»Wir haben sowieso nichts mehr zu verlieren. Überlassen Sie ihn mir. Wenn das nicht hilft, wenn keine Besserung eintritt, können Sie … können Sie diesen anderen Weg immer noch beschreiten.«
Fernand schien zu zögern. Ich ließ nicht locker:
»Außerdem wäre es auch für mich gut, wenn ich für ein Haustier sorgen könnte. So hätte ich Gesellschaft. Die werde ich sicher brauchen, wenn ich ganz allein in diesem Apartment hocke.«
Er dachte eine Weile nach und sagte schließlich:
»Du hast recht. Wir sollten es versuchen.«
Meine
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