Die Ballade der Lila K
die Zone.«
»Aber Sie sind doch gerade erst zurückgekehrt!«
»Tatsächlich war das so auch nicht geplant, aber jetzt haben sich neue Probleme ergeben. Ich habe keine Wahl.«
Ich dachte an die tröstlichen Worte, die Sie kurz zuvor ausgesprochen hatten: Ich bin für Sie da. Ich werde Ihnen helfen , und lächelte bitter. Ich steckte die Hände unter die Decke. Auf einmal tat es mir leid, dass ich Ihnen erlaubt hatte, sie zu berühren. Sie räusperten sich.
»Ich soll bei der psychiatrischen Untersuchung, die Sie betrifft, als Zeuge auftreten. Sie wollen eine schriftliche Aussage. Seien Sie versichert, Lila, dass ich dabei kein Wasser auf ihre Mühlen gießen werde.«
»Sehr freundlich von Ihnen, aber das wird wohl kaum etwas bewirken.«
»Machen Sie sich wegen dieser Untersuchung keine Sorgen. In erster Linie handelt es sich um eine Formalität. Für eine Internierung besteht nicht genügend Anlass.«
»Fernand ist da anderer Meinung.«
»Denken Sie nicht mehr an Fernand. Denken Sie an sich. Ich bin sicher, dass alles gut laufen wird.«
»Wann kommen Sie wieder?«, fragte ich seufzend.
»Das steht noch nicht fest.«
»Kann ich Ihnen wenigstens schreiben?«
»Lieber nicht.«
»Was ist denn los, Milo?«
»Es ist nicht der Rede wert. Lassen wir es bitte dabei bewenden.«
Ich warf einen Blick auf die Kamera, die unmittelbar über uns ihre wachsamen Kreise zog, und begriff, warum Sie sich bedeckt hielten. Sie haben sich vorgebeugt, um mir ins Ohr zu flüstern:
»Keine Angst. Wir sehen uns bald wieder, versprochen.«
»Wo?«
»Erinnern Sie sich an die Sackgasse, in die ich Sie damals geführt habe?«
Ich nickte – ich war auf meinen Spaziergängen mehrfach wieder hingepilgert.
»Würden Sie die Gasse finden, falls ich Sie eines Tages dort treffen wollte?«
Ich nickte erneut. Mit fast unhörbarer Stimme haben Sie gewispert:
»Wenn Sie zufällig eine Nachricht von Lucrezia erhalten, in der sie sich nach Ihrem Befinden erkundigt und Ihnen rasche Genesung wünscht, treffen wir uns noch am selben Tag in der Gasse, Schlag 20 Uhr. Ich werde dort sein. Sollten Sie aus irgendeinem Grund verhindert sein, treffen wir uns am Folgetag, selber Ort, selbe Zeit. Verstanden?«
Ich bejahte.
»Begeben Sie sich nicht direkt dorthin. Machen Sie wie ich zahlreiche Umwege, unbedingt. Das verwirrt die Überwachungsroboter, ihre Programme geraten außer Kontrolle und können keine Ortung mehr vornehmen.«
»Verstanden. Aber wozu diese ganze Geheimnistuerei? Sagen Sie mir bitte, was los ist!«
»Nichts, was Sie beunruhigen müsste.«
Ich ahnte, dass das gelogen war, aber Sie wirkten so zuversichtlich, so erleichtert, da gab ich lieber vor, Ihnen zu glauben.
Als Fernand mich am frühen Nachmittag besuchte, sah er so schlecht aus wie in jener Zeit nach Luciennes Weggang, als er nachts kein Auge zutat und sein Anblick einem morgens das Herz brach. Ich wollte mich aber partout nicht rühren lassen, dafür verübelte ich ihm seinen Auftritt vom Vortag viel zu sehr.
»Wie geht es dir, Lila?«
»Was glauben Sie wohl, Fernand?«
»Ich weiß, dass du mir böse bist.«
»Das kann ich mir gar nicht erlauben.«
»Es ist anders, als du vielleicht denkst …«
»Schon klar: Alles, was Sie tun, geschieht zu meinem Besten, auch wenn es mir manchmal schwerfällt, das einzusehen.«
»Genau.«
Ich schloss wortlos die Augen.
»Hör zu, so kommen wir nicht weiter. Sag mir, was du willst, Lila. Was du wirklich willst.«
»Ich will hier raus«, antwortete ich, ohne die Augen zu öffnen.
»Glaubst du, dass das ratsam ist, nach … nach allem, was passiert ist?«
»Dazu habe ich mich schon mehrfach geäußert, aber das stößt bei Ihnen offensichtlich auf taube Ohren!«
»Diese aberwitzige Reise, um deine Mutter wiederzufinden …«
»Es gab einfach zu viele offene Fragen, Fernand. Ich brauchte Klarheit. Und das ist wirklich für jeden nachvollziehbar.«
»Darüber werden die Psychiater befinden.«
»Hängt deren Entscheidung nicht auch von den verschiedenen Zeugenaussagen ab, die sie über mich einholen werden?«
»Ja, das stimmt.«
»Sie waren mein Tutor. Ihre Einschätzung wird also von entscheidender Bedeutung sein.«
»Das ist anzunehmen.«
Ich riss die Augen wieder auf.
»Was wollen Sie ihnen eigentlich mitteilen, Fernand? Dass ich verrückt bin? Glauben Sie das wirklich?«
Er warf mir einen dieser fiebrigen, fanatischen Blicke zu, die mich jedes Mal so unangenehm berührten.
»Du willst also nicht
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