Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
in dem Gasthaus machen sollte. »Versorg das Kind!« Er strich seiner Tochter zärtlich über das dunkle Haar. Unter der Matratze hatte er einen Ledersack versteckt. Es waren noch zweihundertdreißig Lütticher Gulden drin. Er nahm sich einhundert davon und verschwand wieder so leise, wie er gekommen war.
Paffrath verkaufte ihm für einen viertel Gulden zwei handtellergroße Wachsplatten und wechselte vier Lütticher Gulden in einen Kaiserlichen Golddukaten. Jetzt konnte er das Chlamony fertig machen. Mathias trug das Wachsei einen ganzen Tag. Er probierte aus, welche Bewegungen schmerzhaft waren und welche Körperhaltung den Schmerz verringerte. Dann verbarg er das Chlamony, noch eine Wachsplatte und zwei fest gerollte Eisensägen in einem Beutel, den er unter dem Hemd auf der nackten Brust trug.
In den folgenden Wochen versammelten sich immer mehr Räuber in den Düsseldorfer Schlupfwinkeln. Es hatte sich bei den Mitgliedern der Neußer Bande herumgesprochen, dass der Fetzer wieder aus dem Gefängnis ausgebrochen war, bei Paffrath wohnte und neue Überfälle plante.
In dieser Zeit erfuhr er, dass Adolf Weyers ein paar Männer um sich versammelt und von Neuwied aus schon einige erfolgreiche Raubzüge unternommen hatte. Mathias hatte nichts mehr gegen den selbst ernannten Räuberanführer. Er hatte eingesehen, dass unter den Räubern keine Feindschaften ausgetragen werden durften. Nur so waren sie vor Verrat sicher.
Die Überfälle im März des Jahres 1797 brachten nicht viel Geld ein, aber allen ging es unter der Führung des schmächtigen Räubers besser, als es ihnen vorher allein ergangen war. Mathias hatte wieder genug Geld, um zu einigen Überfällen mit der Extrapost zu fahren, während die anderen Räuber zu Fuß gingen. So konnte er kurz hintereinander an entfernt liegenden Orten Überfälle leiten. Die Bande war dann in mehrere Gruppen aufgeteilt, zu denen Mathias oft erst wenige Kilometer vor dem ausgesuchten Haus stieß.
Einige Misserfolge schadeten dem Ansehen von Mathias bei seinen Männern nun nicht mehr.
Dann brachte einer aus Köln die Nachricht mit, dass die Behörden nach einem gefährlichen Mann namens ›Fetzer‹ suchten. Erst als Mathias hörte, dass bei der Polizei niemand wusste, wie dieser ›Fetzer‹ aussah und woher er kam, war er beruhigt. Seine vielen Verhaftungen in den letzten Monaten hatten ihn vorsichtig gemacht. Niemand durfte in Zukunft wissen, wer er war. Deshalb ordnete Mathias an, dass bei einem Raubzug alle die Halstücher bis über den Mund hochgebunden tragen sollten, wie die Stutzer in der Stadt, wenn sie auf dem Weg ins Bordell waren. Außerdem sollten die Männer ihre Hüte tief ins Gesicht drücken. Mathias verbot, während des Überfalls seinen Namen zu nennen. Er riet den Kumpanen, sich auch untereinander nur mit »He« oder »Hallo« anzurufen. Niemand sollte sich nachher an ihre Namen erinnern können. Er wollte die Fehler aus dem vergangenen Jahr nicht wiederholen.
Dann kam der Überfall auf die Witwe des großen Bauern Kreutzer aus Büderich. Bevor die aus dem Schlaf aufgeschreckten Mägde schreien konnten, wurden sie geknebelt und gefesselt. Dann ließ Mathias jeder Magd das Hemd bis über den Kopf ziehen. Keine sollte sie später erkennen können. Seine Männer lachten über die nackten, kopflosen Frauen. Aber als sich einer der Banditen auf einen der wehrlosen Körper stürzte, schlug ihm Mathias das Brecheisen über den Rücken, ehe der Mann seinen Gürtel geöffnet hatte. Vergewaltigung duldete Mathias nicht.
Die alte Witwe Kreutzer verriet nicht, wo ihr Geld versteckt war. Mathias warnte sie und drohte, aber sie schwieg. Er schlug ihr ins Gesicht, aber die alte Frau stieß nur Verwünschungen aus. Da konnte Mathias nicht weitermachen und wandte sich ab. Einer der Unterführer trat ans Bett und schlug der Frau mehrmals auf den Kopf. Mathias sah sie wieder an. Sie blutete aus dem Mund. Er fragte noch mal. Sie lallte, dass sie kein Geld im Hause hätte. Er gab den Gefährten ein Zeichen. Die alte Frau wurde aus dem Bett gerissen und an den Ohren über den Boden geschleift, sie wimmerte. Mathias kniete sich neben sie, er wollte sie fragen, doch sie sah ihn nur gequält an. Da schwieg er.
Der Unterführer schrie wütend: »Wir hängen die Alte in den Kamin und rösten sie. Die wird schon reden!« Aber Mathias richtete sich auf. »Sie hat kein Geld«. Dann schrie er: »Los, plündert das Haus. Wir nehmen alles mit, was Geld bringt.« Erst murrten die
Weitere Kostenlose Bücher