Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Kumpane, aber dann tobten sie durch die Räume. Sie brachen Schränke und Kisten auf, schmissen schwere Mustöpfe an die Wände, schlitzten Kissen und zerschlugen die Fensterscheiben. Sie zerstörten alles, was sie nicht gebrauchen konnten.
April 1797
Am 10. April traf Augustin Overtüsch mit einigen Männern im Wirtshaus des Paffrath in Düsseldorf ein. Mathias ließ eine Hand auf den Knauf seines Messers sinken, als er die gefährlichen Gestalten sah. Overtüsch begrüßte Mathias und stellte ihm die Fremden vor. »Das sind Offiziere aus der Meersener Bande.« Er deutete auf einen reich gekleideten Mann: »Und das ist der größte Anführer der Meersener. Das ist Jan Bosbeck.« Mathias gab ihm die Hand. Bosbeck lächelte und sah ihn aus wasserhellen Augen prüfend an. »Du bist also der kleine Fetzer. Ich hab schon mal von dir gehört.« Mathias strich über seine wenigen Haare und sog die Luft scharf ein. Overtüsch legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
Jan Bosbeck trug eine hellblaue Reitweste und silberne Sporen an den Stiefeln. Er hatte einen reich beschlagenen Säbel umgeschnallt, und im Gürtel steckten zwei Pistolen. Die nach unten gebogenen Mundwinkel ließen ihn bösartig aussehen, und die nach oben gestülpte Nase machte sein Gesicht hässlich. Die blasse Haut hob sich kaum von den weißblonden Haaren ab, die am Hinterkopf zu einem kleinen Zopf geflochten waren. An jedem Ohrläppchen des Räubers baumelte ein großer goldener Ring.
Die Pferde wurden in den Stall gebracht und abgesattelt. Mathias pfiff durch die Zähne, als er Bosbecks Sattel betrachtete. In der Unterseite waren vier mit Riemen verschließbare Höhlungen eingearbeitet. In zweien steckten noch Pistolen.
Jan Bosbeck rief nach dem Wirt. »Paffrath, hol uns ein paar Weiber.« Er sah auf Mathias. »Für unseren Jüngsten bringst du eine kleine Frau, damit er keine Angst bekommt.«
Mathias sprang auf Bosbeck hatte sofort eine der Pistolen in der Hand. »Sei ruhig, Fetzer! Er meint es nicht so.« Overtüsch hielt ihn wieder fest. Mathias stieß die Hand zur Seite. Einen Moment starrte er Bosbeck aus zusammengekniffenen Augen an, dann drehte er sich ruckartig um und ging mit steifen Schritten aus dem Schankraum, in dem es jetzt still geworden war.
In seiner Kammer stach er mit dem Messer wütend in die Strohmatratze und zerfetzte den Bezug. Warum war er nur kleiner als die anderen? Keiner durfte sich über ihn lustig machen. Auch nicht dieser Meersener Affe. An den Ohrringen könnte er ihn aufhängen! ›Mal sehen, wer mehr Überfälle schafft. Überfälle, die was einbringen!‹
Nach einer Stunde stieg Mathias die Treppe wieder hinunter. Aus dem Schankraum hörte er kreischendes Weiberlachen. Bosbeck hielt zwei Frauen im Arm. Er sah den kleinen Räuber und befahl einer der Huren: »Los, geh zu meinem Freund! Der Fetzer ist einer von unseren Besten.« Er lachte nicht, während er das sagte.
Mathias war verwirrt.
In den folgenden Tagen sprach Jan Bosbeck sehr viel mit Mathias. Er verspottete ihn nicht mehr, aber Mathias spürte immer, dass der Meersener von seinen Fähigkeiten nicht ganz überzeugt war. Verwundert beobachtete Mathias, wie selbstverständlich die anderen Offiziere Bosbeck gehorchten.
Am 16. April kam Karl Heckmann wieder. Er berichtete von den Reichtümern des reformierten Pfarrers in Mülheim an der Ruhr. »Ich hab beim Wirt Sellerbeck einen Mann getroffen, der hat erzählt, dass der Pfarrer Pithahn das gesamte Kirchensilber der Stadt im Haus hat. Der verwahrt sogar die Goldstücke und Taler der ganzen Gemeinde.«
Die Räuber waren begeistert, aber Karl Heckmann warnte: »Mülheim hat eine Nachtwache und eine Bürgerwehr. Das Pfarrhaus ist gesichert wie ein Gefängnis, und der Pfarrer ist stark wie ein Bulle. Eine Büchse, ne richtige Donnerbüchse hat er auch.«
Bosbeck überlegte, dann verkündete er: »Wir werden uns die Schätze des Pfaffen holen, selbst wenn wir die ganze Stadt besetzen müssen.«
Er übernahm die Leitung des Unternehmens. Niemand hatte ihn gewählt, aber niemand sagte etwas gegen seine Führung, auch Mathias nicht. Er beobachtete ihn seit Tagen genau, er wollte sehen, wie Bosbeck arbeitete.
Karl Heckmann und ein Kumpan gingen gemeinsam mit Bosbeck noch in derselben Nacht nach Mülheim. Sie spionierten drei Tage lang die Lage des Pfarrhauses aus und schlichen den Patrouillen nach, bis sie genau wussten, wann und wo in der Nacht kontrolliert wurde.
Am 20. April verließ
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