Die Ballonfahrerin des Königs
Genie, hat sein
Herz verschenkt!»
«Bitte, Mars, das ist keine Zeit für Späße!»
«Willst du sie heiraten?», bohrte Mars. Er lächelte breit. «Natürlich willst du das, du machst keine halben Sachen. Außer
was die Fabrik betrifft. Zeit deines Lebens hast du alle Frauen mit Missachtung gestraft, die sich dir augenklimpernd an den
Hals geworfen haben. Und plötzlich zauberst du diese Marianne hervor und präsentierst sie mir als die Liebe deines Lebens!»
|252| «Verflucht, petit frère, sie wird nicht mehr dazu kommen, die Liebe meines Lebens zu werden, wenn du nichts unternimmst!»,
beschwor ihn André.
«Also gut.» Zu Andrés Erleichterung wurde Mars wieder ernst. «Natürlich kann ich für dich meine Verbindungen spielen lassen.
Du bist nicht der Erste, der mit einer solchen Bitte an mich herantritt.»
André wollte befreit aufatmen, doch ein Ausdruck auf dem Gesicht seines Bruders hinderte ihn daran. «Aber?», fragte er ahnungsvoll.
«Die Frage ist, wie viel du bereit bist, dafür zu zahlen.»
«Zahlen?», rief André aus. «Herrgott, Mars, du bist mein Bruder!» Er riss sich zusammen. «Aber gut – was willst du haben?»,
fragte er bemüht beherrscht.
«Die Fabrik.»
«Wie bitte?»
Mars kreuzte die Arme über der Brust. «Du trittst an mich ab sofort sämtliche Rechte an der Fabrik ab. Du verzichtest auf
dein Erbteil und ziehst dich zurück.»
«Das ist Erpressung!», rief André wütend.
«Unsinn! Tu doch nicht so, als würde dir etwas an der Fabrik liegen. Du kannst mir dankbar sein: Ich befreie dich von Vaters
Gängelband und serviere dir gleichzeitig die Liebe auf einem goldenen Tablett.»
André konnte es nicht fassen. In seinem Kopf herrschte wildes Durcheinander. Er versuchte angestrengt, nachzudenken. Doch
sosehr er sich auch bemühte, eine klare Entscheidung zu treffen – seine Angst um Marie-Provence machte es ihm unmöglich. Er
holte tief Luft. «Was ist mit Zéphyr?»
Mars sah ihn fest an. «Er ist unrentabel.»
André schloss kurz die Augen. Ihm war, als würde er einen Luftzug spüren, den Sog eines mächtigen, seidenen Luftkörpers, der
ihn streifte, um für immer im unendlichen Blau zu entschwinden. «Du kannst die Fabrik haben», sagte er schließlich.
***
|253| Die alte Frau duckte sich unter dem Blick des Anklägers.
«Martine Lacassette!», las Fouquier-Tinville von einem Blatt ab. «Du wirst beschuldigt, dich anti-revolutionär verhalten zu
haben. Du wurdest gesehen, als du Insignien der Revolution von der Fassade eines Hauses gezerrt und wütend darauf herumgetrampelt
hast.» Fouquier-Tinville warf über dem Rand seiner Brille einen emotionslosen Blick auf die Angeklagte. «Du hast dich dabei
wie toll gebärdet und Verwünschungen ausgestoßen.»
Das Publikum, das sich auf der Empore im Hintergrund des Saales versammelt hatte, stieß die üblichen Schmährufe aus.
«Das sind Lügen!», empörte sich die Beschuldigte. «Ich hab Abfälle vorm Haus verbrannt, und da haben die trockenen Buchsgirlanden
mit den Kokarden Feuer gefangen, die noch von der Fête de l’Être Suprême dort hingen!» Sie warf die Arme hoch. «Natürlich
bin ich drauf rumgetrampelt, als die anfingen zu qualmen! Sollte ich etwa mein Haus verbrennen lassen?»
«Du gibst also zu, nicht nur die Farben der Nation mit Füßen getreten, sondern auch, sie vorher in Brand gesteckt zu haben»,
schloss Fouquier-Tinville sachlich.
Daraufhin wandte sich der Richter an die zwölf Geschworenen, die auf einer erhöhten Tribüne tafelten. «Citoyens jurés?»
Es war nicht ersichtlich, ob einer der Männer, die unter den revolutionstreuen Bürgern von Paris durch Losverfahren ausgewählt
worden waren, wirklich zugehört hatte. Die Geschworenen widmeten sich mit großem Appetit dem Essen, das ihnen gerade serviert
worden war. Einer der Männer schwenkte seine Hand und schmatzte: «Schuldig!» Das Publikum klatschte, wenn auch nicht mehr
so eifrig wie zu Beginn der endlosen Verhandlung, und vereinzelte Rufe von «Vive la République!» waren zu vernehmen. Zwei
Gendarmen packten die zeternde Alte an den Armen und schleppten sie zu der Gruppe der bereits Verurteilten.
«Suivant!», befahl der Richter, gleichzeitig winkte er einem |254| Gerichtsdiener zu. Bald darauf stand auch vor ihm ein dampfender Teller, und der Duft von gebratenem Hühnchen legte sich über
das Tribunal.
Marie-Provence wurde gepackt, aus der Gruppe der Wartenden gezerrt und nach vorne
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