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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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der
     Straße schlafen!», rief lautstark die Frau von der Empore. Die anderen Frauen lachten.
    Das Gesicht des Richters lief rot an, doch er fuhr nicht dazwischen. Die Geschworenen steckten die Köpfe zusammen, bis einer
     von ihnen das Wort ergriff. Zögernd begann er: «In diesem besonderen Fall scheint uns die Schuld der Angeklagten nicht   …»
    «Wenn du es erlaubst, citoyen Richter, möchte ich noch etwas sagen.» Ein Mann, auf den bisher niemand geachtet hatte, erhob
     sich aus den Reihen des Publikums.
    «Croutignac!», rief Marie-Provence aus, doch ihr Aufschrei ging in dem aufkommenden Tumult unter. Die Frauen riefen empört
     dazwischen, die Geschworenen murmelten einander zu, und Fouquier-Tinville blätterte hektisch in seinen Unterlagen, während
     die Gendarmen zur Tribüne eilten, um für Ordnung zu sorgen.
    «Silence!», schnappte der Richter. «Ruhe, oder ich lasse den Saal räumen!» Scharf wandte er sich an Croutignac. «Wer bist
     du, der du den Verlauf der Verhandlung störst?»
    «Ein Bürger dieses Landes, der der Justiz dient. Gerne weise ich mich beim Tribunal aus. Mein Name ist Cédric Croutignac.»
     Croutignac richtete einen Finger auf Marie-Provence. «Glaubt dieser Frau kein Wort! Sie hat mich und uns alle hier betrogen!»
    Marie-Provence erstarrte. Wie gebannt fixierte sie Croutignac, der wie ein Rachegott von der Empore auf sie herabsah.
    |257| «Diese Frau ist nicht die, die sie zu sein vorgibt! Ihr Name ist Marie-Provence de Serdaine!»
    ***
    Die Verurteilten verließen schweigsam und mit schweren Schritten den prunkvollen Saal, in dem ihr Schicksal besiegelt worden
     war. Marie-Provence setzte einen Fuß vor den anderen. In ihr herrschte eine kalte, starre Leere, die ihren Körper und ihre
     Gedanken lähmte. Ein Stoß katapultierte sie vorwärts. «Los, weiter!»
    Im Erdgeschoss warteten die Zellen, die den zum Tode Verurteilten vorbehalten waren – finstere Löcher, wie die Kerker von
     La Force, allerdings durften die Gefangenen ihre letzte Nacht alleine verbringen. Eine Tür nach der anderen schloss sich hinter
     den Gerichteten. Marie-Provence hatte bereits einen Fuß in die ihr zugewiesene Zelle gesetzt, als ein Gendarm herbeieilte.
     «Halt, die nicht! Die wird woanders erwartet!» Überrascht folgte Marie-Provence dem Uniformierten ein paar Schritte, bis dieser
     in einen Raum zeigte.
    «Die Verurteilte Marie-Provence de Serdaine, citoyen.»
    «Sehr gut. Mach ihr die Fesseln ab. Und lass uns alleine.»
    «Sie!», stieß Marie-Provence aus, als sie den kleinen Raum betrat.
    Croutignac lächelte. «Ich bin erfreut, dass mein Anblick dich jedes Mal aufs Neue überrascht.»
    «Was wollen Sie von mir?», fragte Marie-Provence. Sie hob das Kinn. «Sie haben heute meinen Tod errungen. Reicht Ihnen das
     nicht?»
    «Sieh an! Kaum gibt man dir deinen Namen zurück, schon verwandelt sich die tapfere Marianne in eine arrogante Dame von Adel.»
     Er schnippte verächtlich mit den Fingern. «Ihr seid doch alle gleich. Unverbesserlich.»
    «Was wollen Sie?», wiederholte Marie-Provence.
    «Oh, ich pflege nur eine Tradition», antwortete Croutignac. «Ich habe es mir angewöhnt, immer noch ein Schwätzchen |258| mit den Damen Serdaine zu halten, bevor sie ihre letzte Reise antreten. Weißt du übrigens, dass du deiner Mutter ähnelst?
     Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ich dir nie ganz getraut habe. Irgendwie habe ich etwas geahnt, auch wenn ich dich
     zunächst nicht wiedererkannt habe.»
    Mama, dachte Marie-Provence. Und ein kleines Stück der Mauer, die sie umgab, bröckelte. «Haben Sie sie hier gesehen?» Sie
     konnte nicht umhin zu fragen.
    Croutignac nickte.
    Marie-Provence’ Zunge klebte an ihrem Gaumen. Sie hob den Kopf. «Warum hassen Sie uns so?»
    «Ich hasse euch nicht. Jedenfalls nicht mehr als alle anderen Blutsauger eurer Spezies, die geglaubt haben, für immer ungestraft
     das Land ausbeuten zu können.»
    Marie-Provence sah fest in seine blauen, von den dicken Brillengläsern geschrumpften Augen. «Sie lügen.»
    Der Mann blinzelte, konterte aber sofort: «Was denn, möchtest du dich wieder auf mich stürzen, wie einst im quai des Augustins?
     Was willst du? Einen persönlichen Tod? Tut mir leid, den kann ich dir nicht bieten.» Er lachte auf. «Alle sind jetzt gleich,
     in der Republik. Ein paar Tausend vor dir, ein paar Tausend nach dir. Gleiches Recht und die Guillotine für jeden von euch.»
    Marie-Provence fröstelte. Ihr war schlecht vor Hunger. Sie

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