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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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rapide zu, und die Geräusche drangen nur gedämpft bis zu ihr durch. Ihre Begleiterin
     half ihr, einen schmalen Mauervorsprung zu erreichen, auf den sich beide niederließen.
    «Mein Gott, wie du aussiehst! Du hättest dich nicht für mich in Gefahr bringen sollen!», sagte Thérésia. Tröstend strich sie
     Marie-Provence mit ihrer kühlen Hand über den Nacken. Sie riss ein Stück Stoff aus dem Saum ihres Kleides. Kurz darauf hatte
     sie es in einen der Tröge getränkt, die im Hof standen, und legte es Marie-Provence auf die Stirn.
    Marie-Provence lehnte sich zurück. Eigentlich wollte sie die Bemühungen der jungen Frau abwehren, die selbst aussah, als würde
     sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Doch etwas in ihr sehnte sich so stark danach, berührt und umsorgt zu werden, dass sie
     einfach sitzen blieb. Ich lasse nach, dachte sie, lange halte ich das hier nicht mehr durch.
    «Schau, da drüben. Der Mann dort – sieht der nicht gut aus? Er heißt Hoche, ist erst sechsundzwanzig Jahre alt und bereits
     General. Ich überlege mir, ob ich ihn mir nicht zum Liebhaber nehmen sollte. Was hältst du davon?»
    Marie-Provence’ Augen füllten sich mit Tränen. Sofort wurde Thérésia wieder ernst.
    «Allons, du darfst jetzt nicht aufgeben», beschwor sie. Flüsternd fuhr sie fort: «Ich habe gestern einen Brief nach draußen
     geschickt! Vielleicht ist noch nicht alles verloren!»
    Marie-Provence schluckte die Tränen hinunter und sah die andere prüfend an. Mit ihren einundzwanzig Jahren war Thérésia Cabarrus
     bereits geschieden und eine erfahrene Frau. Ihren freimütigen Erzählungen nach hatte sie mehrere Liebschaften gehabt, bis
     sie Tallien kennenlernte − einen Journalisten und Mitglied des comité de sûreté générale, der für seine Grausamkeiten während
     der Niederschlagung der |246| Girondisten um Bordeaux bekannt war. Die gebildete junge Frau hatte ihre Verbindung zu dem einflussreichen Politiker missbraucht,
     um Verfolgte zu retten, und war daraufhin in das Mahlwerk der revolutionären Justiz geraten.
    «Du hast Tallien geschrieben?», fragte Marie-Provence. «Was erhoffst du dir davon? Es heißt, Robespierre mag ihn nicht. Er
     wird nicht auf ihn hören.»
    «Du gehst von falschen Prämissen aus. Ich ziehe es vor zu fragen: Wie lange wollen alle noch auf Robespierre hören?», raunte
     die abgemagerte junge Frau. Ihr Gesicht wurde hart. «Tallien liebt mich. Ich habe ihm ein Ultimatum gesetzt, zwei Tage. Er
     hat mir einmal eine Laube in seinem Garten versprochen. Wenn er noch lange zögert, kann er mir stattdessen ein Grabmal setzen.»
    «Du glaubst tatsächlich, deinem Freund wird es gelingen, die convention hinter sich zu bringen?»
    «Seit ein paar Wochen hat Robespierre ziemlich viel Gegenwind. Tallien hat es mir erzählt. Man beginnt, gegen Robespierres
     Tyrannei aufzubegehren. Die Menschen sind den Terror leid. Es ist Zeit, dass all diejenigen, die Robespierre fürchten, sich
     gegen ihn verbünden. Und dafür bedarf es nur eines entschlossenen Auftretens im rechten Augenblick.»
    Zweifelnd betrachtete Marie-Provence die junge Frau, die tatsächlich glaubte, dass sie durch ihren Willen Robespierre entmachten
     konnte. Etwas in ihr war versucht, sie verrückt zu nennen. Auf der anderen Seite – war sie nicht selber vor gerade einmal
     vier Tagen fest entschlossen gewesen, etwas genauso Unmögliches zu erreichen? Sie unterdrückte den Gedanken an ein fahles
     Kindergesicht genauso, wie sie seit Tagen alles unterdrückte, was sie berühren und schwächen könnte, und richtete sich auf.
     Am Ende des Hofes war ein Mann mit einer Glocke erschienen, die er gebieterisch schüttelte.
    «Der Mann vom Gericht ist da», sagte Marie-Provence und griff nach Thérésias Hand. «Lass uns hingehen.»
    Ihre Gefährtin wurde noch ein wenig bleicher. Der Amtsdiener erschien jeden Abend, um eine Liste derjenigen vorzulesen, deren
     Fälle am nächsten Tag in der conciergerie |247| vom revolutionären Gericht bearbeitet werden würden. Als Marie-Provence und Thérésia zu den anderen aufschlossen, hatte sich
     bereits ein enger Kreis um den Mann gebildet. Marie-Provence erkannte mehrere Gesichter, auch der Offizier namens Hoche war
     dabei. Auf einmal war es sehr still im Hof.
    «Anne-Marie d’Anton», begann der Mann. Eine Frau stieß einen spitzen Schrei aus. Marie-Provence und Thérésia hakten einander
     ein.
    «Martine Lacassette!»
    Die beiden Frauen sahen sich an. Es war der Name der Alten aus

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