Die Ballonfahrerin des Königs
erhebt. Der sie schließlich überragt und in seinen Schatten stellt. Und dann löst sich von ihm
− ein Held, ein Soldat des Volkes, in einem kühnen, nie dagewesenen Sprung.» Er stockte und lächelte. «Madame, Sie verblüffen
mich! Ihre Weitsicht und Ihre Klugheit übertreffen noch Ihre Anmut!» Er nickte André zu. «Kommen Sie morgen früh zu mir, Monsieur
Levallois. Wir werden dann die Einzelheiten besprechen.»
«Sehr gerne», sagte André und verbeugte sich, während |323| Thérésia ihrem Geliebten Tallien einen triumphierenden Blick zuwarf.
Marie-Provence’ Herz pochte. Sie und Saison sahen sich an.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
***
«Er will springen. Mit einem Schirm.» Théophile Saison sah bedeutungsvoll um sich. «Vom aufgestiegenen Ballon aus.»
Assmendi und Batz tauschten einen verblüfften Blick.
«Ist der Kerl lebensmüde?», entfuhr es dem alten Poura.
«Auf jeden Fall verdammt mutig.» Batz wiegte den Kopf hin und her. «Schade, dass wir ihn nicht für unsere Sache gewinnen konnten.
Es wäre gut gewesen, einen Mann seines Kalibers in unserem Lager zu haben.»
Assmendi nickte.
Guy de Serdaine hingegen verzog den Mund. «Es mangelt dem royalistischen Lager Gott sei Dank nicht an entschlossenen und kühnen
Mitstreitern, Monsieur», entgegnete er kühl.
«Ja, und wer, um alles in der Welt, wird dann den Ballon landen?», hakte Poura nach.
«Ich», antwortete Marie-Provence bestimmt.
«Unmöglich!» Poura stieß entrüstet sein Holzbein auf.
«Das Leben des Königs in den Händen einer Frau?», fragte Batz, halb ironisch, halb ernst.
«Besser als in den Händen eines Kerkermeisters, glaube ich», warf Marie-Provence zurück.
«Allons, immer mit der Ruhe!» Guy de Serdaine hob die Hände. «Lassen Sie uns bitte nachdenken, was die neue Situation ändert.
Erst einmal du, Marie-Provence.» Er wandte sich ihr zu. «Monsieur de Batz hat eben zum ersten Mal angesprochen, was wir alle
hier schon seit langem ahnen. Ich finde es an der Zeit, dass auch du offen zugibst, dass André Levallois immer unser Gegner
bleiben wird.»
«Unser Gegner?», entfuhr es Marie-Provence. Sie sah ihren |324| Vater fest an. «André Levallois hat mein Leben gerettet, Vater. Er sorgt dafür, dass der Ballon finanziert wird. Er konstruiert
ihn. Und er wird mir beibringen, wie man ihn landet. Ohne ihn sind wir nichts. Ich finde, ein Gegner definiert sich anders.»
Verärgerung zeichnete sich im Gesicht ihres Vaters ab. Sie maßen einander ein paar Sekunden lang mit Blicken, wollten sich
allerdings beide nicht die Blöße geben, vor den anderen ein Streitgespräch anzufangen.
Assmendi durchbrach die angespannte Stille. «Was ist mit diesem Fallschirm? Wie sieht die Konstruktion aus, und inwiefern
verändert sich der Ablauf unseres Planes?», fragte er sachlich.
«Ich habe mich bei Monsieur Levallois erkundigt», antwortete Marie-Provence. «Nach seinen Worten läuft der Sprung folgendermaßen
ab: Der Schirm wird geschlossen unter dem Korb hängen, und Monsieur Levallois an ihm. Der Ballon wird von seinen kurzen Ankerseilen
gelöst, bleibt aber mittels einer langen Führungsleine mit dem Boden verbunden. Er steigt auf große Höhe, bis er über den
brachliegenden Gartenflächen des Temple hängt. Eine schwache Brise ist Voraussetzung, sodass die Führungsleine sich schräg
vom Ballon spannt und den Absprung nicht behindert. Sobald der Ballon eine ausreichende Höhe erreicht hat, will Monsieur Levallois
seinen Schirm aufspannen. Wenn alles fertig ist, wird vom Korb aus der Verschluss geöffnet, der den Schirm am Korb befestigt
hält, und Ersterer fällt samt Springer hinunter. Der Ballonfahrer wiederum entleert die Ballonhülle von einem Teil ihres Gases,
sodass das Gefährt bequem wieder an seiner Führungsleine eingeholt werden kann.»
«Gut. Das ist die Version, die auf dem Festprogramm stehen wird.» Batz grinste breit. «Und nun kommt unsere: Der Ballon steigt,
die Ankerseile werden gekappt – bis auf eines, das sich durch einen bedauerlichen Vorfall nicht sofort lösen lässt. Durch
die Anwendung dieses Tricks, den Sie uns unlängst erläuterten, Mademoiselle, und durch die Mithilfe |325| eines Mannes, der dem Publikum hinter der Einfriedungsmauer des Gefängnisses verborgen bleibt, wird der Ballon an den Turm
herangezogen. Auf dem donjon wartet bereits Louis-Charles mit einem zweiten Helfer. Das Kind in den Ballonkorb zu hieven,
ist eine Kleinigkeit. Sie
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