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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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unbändigen Willen schließen ließ, sowie eine markante Nase mit langem, schmalem Grat
     prägten das Gesicht. Seine Uniform, die eines Brigade-Generals, war schäbig und zerschlissen. Seine hohlen Wangen legten nahe,
     dass der Mann nur selten eine üppige Mahlzeit zu sich nahm, doch der bezwingende und vor Intelligenz sprühende Blick seiner
     dunklen Augen ließ Mitleid gar nicht erst aufkommen.
    «Monsieur Levallois ist gerade sehr beschäftigt», erklärte Marie-Provence freundlich. «Vielleicht kann ich Ihnen helfen?»
    «Sie?» Der Unbekannte verzog die dünnen, sinnlich geschwungenen Lippen. «Es geht um technische Details. Sie dürften kaum die
     Richtige sein.»
    «Ich werde den Aufstieg an der Seite von Monsieur Levallois erleben und bin von ihm in vielen Einzelheiten unterwiesen worden.»
     Marie-Provence hob die Schultern und |356| wandte sich zum Gehen. «Doch natürlich steht es Ihnen frei, zu warten.»
    Er zeigte auf den Ballon. «Wie lange bleibt die Hülle dicht?»
    «Wir haben ein neues Verfahren entwickelt», erklärte sie. «Die Seide ist mit einem mit Bleioxid vorbehandelten Leinöl eingerieben
     und anschließend gepresst worden. Jede Bahn wurde dann mit Kautschuk beschichtet, der durch eine Mischung aus Klebstoff, Honig
     und Rizinusöl geschmeidig und haltbar gemacht wurde.» Sie legte den Kopf in den Nacken, betrachtete ernst die Hülle, die sich
     gegen den strahlend blauen Maihimmel abhob. «Noch lässt sich wenig über die Undurchlässigkeit des Flugkörpers aussagen, doch
     die Probeläufe, die wir mit einem kleineren, in allen Punkten getreu nachgebauten Modell durchgeführt haben, waren sehr ermutigend:
     Der kleinere Ballon hängt seit zwei Monaten unter der Decke der Schmiede und hat noch keine einzige Falte.»
    Der Mann sah sie interessiert an. Ein anderer als er hätte jetzt vielleicht gelächelt. Doch Marie-Provence hegte den Verdacht,
     dass der Fremde sich nur sehr selten zu Heiterkeitsausbrüchen verleiten ließ.
    «Das heißt, ein einmal gefüllter Ballon ließe sich ein paar Wochen lang immer wieder nutzen, wenn man den Ballon angeleint
     lässt und die Höhe und Bewegung vom Boden aus steuert?»
    «Das wäre wohl möglich», lächelte Marie-Provence. «Doch von welchem Interesse wäre ein mehrmaliger Aufstieg, wenn der Ballon
     sich nicht frei bewegen kann?»
    Der Mann antwortete nicht. «Danke für Ihre Ausführungen», sagte er stattdessen knapp und deutete eine zackige kleine Verbeugung
     an. «Ich werde mich nun alleine umsehen. Sie werden ja weiterhin da sein, sollte ich Fragen haben.»
    Das war nichts anderes als der Befehl, sich zu seiner Verfügung zu halten. Nachdenklich verfolgte Marie-Provence, wie der
     Offizier mit dem stechenden Blick zwischen den anderen |357| Besuchern verschwand. Was mochten die Fragen des Mannes für einen Hintergrund haben?
    Laute Stimmen lenkten sie von weiteren Überlegungen ab. Alarmiert sah sie André am hinteren Ende des Hofes ein Streitgespräch
     mit zwei auffallend gekleideten Männern führen. Sie trugen beide knielange Jacken mit überdimensionalem Revers und voluminöse
     grüne Krawatten, die Brust und Kinn bedeckten. Hatte der eine Mann seine langen Haare toupiert und im Nacken festgesteckt,
     so thronte auf dem Kopf seines Freundes ein Zweispitz über einer blonden Perücke. Es waren Muscadins, junge Menschen, die
     sich offen als Royalisten bekannten, meist adliger Herkunft waren und seit ein paar Monaten in Banden durch die Straßen zogen.
     Marie-Provence warf einen besorgten Blick auf die kostbare, empfindliche Ballonhülle, die in ein paar Schritten Entfernung
     hing. Es konnte keinen schlechteren Schauplatz für eine tätliche Auseinandersetzung geben als den Innenhof! Auch die aufgestellten
     Fässer, aus denen kontinuierlich der entzündliche Wasserstoff strömte, standen schutzlos da – nur eine dünne Latte trennte
     sie vom Publikum.
    «Königsmörder! Halsabschneider!», knurrten die beiden Gecken, womit offenbar nicht André gemeint war, sondern ein paar mit
     langen Hosen und Holzschuhen bekleidete Besucher.
    «Wieder welche, die die Guillotine vergessen hat!», schoss es aus dem Publikum zurück.
    «Jetzt reicht es.» Andrés Ton war unmissverständlich. «Messieurs, ich möchte Sie bitten, das Gelände sofort zu verlassen.»
    Marie-Provence trat hinzu. «Brauchst du Hilfe? Soll ich die Garden holen?»
    «Nicht nötig.»
    «Ach, siehe an – Marianne persönlich!» Der toupierte Mann zückte ein Lorgnon und

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