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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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zurückzudrängen.
     Er trug eine pelzverbrämte Jacke und feste Stiefel, was kurios anmutete angesichts der sommerlichen Temperaturen. Seine Aufmachung
     bildete einen krassen Gegensatz zu ihrem eigenen schneeweißen, unter der Brust geschnürten Gazekleid, auf dem jeder Lufthauch
     die Kurven ihres Körpers abzeichnete.
    André zerrte ein letztes Mal an den Befestigungen, während sein scharfer Blick über die glänzenden Flanken des Flugkörpers
     lief. Erst als er alles akribisch untersucht hatte, half er ihr in den Korb. Ein letztes Mal hielt er ihre Hände. Sie sahen
     sich tief in die Augen.
    |379| «Auf dass Wind und Götter dir zur Seite stehen, meine Ballonfahrerin, und Sturm und Wolken vertreiben!», sagte er ernst.
    Es war der Segensspruch ihrer ersten gemeinsamen Luftfahrt. Obwohl sie es mit aller Gewalt zu verhindern suchte, füllten sich
     ihre Augen mit Tränen, als sie den Spruch vervollständigte, der heute wie eine Beschwörung klang: «Auf dass der Himmel für
     uns strahle! Auf eine sanfte Landung – und dass unser Ziel uns nicht enttäusche!» Sie küsste ihre Fingerspitzen, berührte
     mit ihnen seinen Mund. «Gott beschütze dich!», flüsterte sie. Dann riss sie sich von ihm los und flüchtete in die Mitte des
     Korbes.
    Der geflochtene Boden schwankte, als die Seile, die den Ballon festhielten, verlängert wurden, damit Fallschirm samt Springer
     unter dem Passagierkorb Platz fanden. Der Schirm bestand aus sechsunddreißig zusammengenähten Seidenstreifen. Er ähnelte der
     kopfüber hängenden Blüte einer Ackerwinde, als er nun mittels eines Karabinerhakens am Boden des Korbes befestigt wurde. Sechsunddreißig
     Seile säumten ihn, die strahlenförmig unter dem Schirm zusammenliefen und diesen daran hindern sollten, sich während des Falls
     umzustülpen. Sie mündeten in ein Gefüge aus Riemen und Holzverstrebungen, das den Oberkörper des Springers umschließen sollte.
    Von der Höhe des Korbes aus verfolgte Marie-Provence, wie André in die Apparatur stieg. Dann trat er unter sie und entschwand
     ihrem Blick. Schon früher hatte sie geschaudert bei dem Gedanken, dass er sein Leben diesem fragilen Gefüge anvertrauen wollte.
     Jetzt aber kam ihr André durch die Dimensionen des Schirms noch kleiner und verletzlicher vor. Angst um ihn ließ ihren Magen
     zusammenkrampfen. Sie wandte sich ab und starrte auf den vierschrötigen Turm. Nur er zählte jetzt. Nur auf ihn wollte sie
     sich konzentrieren.
    Der zweite Kanonenschuss tat kund, dass André und der Schirm bereit waren. Marie-Provence hatte eine gute Sicht auf das Publikum
     und auf den Redner, der nun, mit angemessener Würde, sein Rednerpult ansteuerte. Barras, |380| ganz in Gold und Grün gekleidet, ließ sich Zeit, ehe er seine Stimme erhob.
    «Citoyennes et citoyens!»
    Marie-Provence hörte seiner Rede nicht zu, sondern kümmerte sich um die Vorbereitungen, die sie erst jetzt vornehmen konnte,
     da sie hier oben allein war. Sie nahm Strickleiter, Fernrohr, Kompass und Barometer in Augenschein. Sie vergewisserte sich
     mit besonderer Sorgfalt, dass das überlange Seil, von dem gleich so viel abhängen würde, in exakte Schlaufen aufgerollt war
     und geworfen werden konnte, ohne Knoten zu bilden. An einem Ende befestigte sie das große eiserne Gewicht, das sie eingeschmuggelt
     hatte – ein Bestandteil aus Corteys Krämerladen. Das andere Ende zurrte sie am Korb fest, mittels eines dieser fachmännischen
     Knoten, die André ihr beigebracht hatte. Den Wurfanker würde sie unmittelbar danach brauchen, also legte sie auch diesen bereit,
     mitsamt seiner Leine.
    Anschließend beugte sie sich über eine Kiste, in der mitgebrachte Kleidung, zwei Decken und ein wenig Proviant aufbewahrt
     waren. Sie entnahm ihr ihren gefütterten Umhang und entrollte ihn, um die Handfeuerwaffe herauszuziehen, die sie darin versteckt
     hatte. Sie hielt sie ohne Scheu. Waffen waren für sie nichts Ungewohntes, ihr Vater hatte ihr schon als Kind beigebracht,
     damit umzugehen, und sie war ein guter Schütze. Es war ein beruhigendes Gefühl, sich notfalls zur Wehr setzen zu können.
    Unwillkürlich fiel ihr Blick auf den donjon. Es war geglückt, Batz und Cortey unter die Wachhabenden zu schmuggeln, sie war
     also zuversichtlich, was deren Hilfe betraf. Hoffentlich stand Cortey auf der anderen Seite der Mauer. Aber befand sich auch
     Charles dort oben auf der Galerie, bewacht von Batz und Gomin? Sie hatte keine Ahnung. Die Läden, die zwischen den Zinnen
    

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