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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Nach ein paar Minuten hatte sie
     einen Teil der schneeweißen Vögel mit einer verschlüsselten Nachricht versehen und freigelassen. Drei davon behielt sie bei
     sich. Sie würden bei der Landung zum Einsatz kommen, um ihrem Vater den genauen Standort mitzuteilen. Da das Festprogramm
     es vorsah, kurz vor dem Absprung drei Dutzend Tauben vom Ballon aus fliegen zu lassen, würde es kein Problem sein, sie offiziell
     an Bord zu bringen.
    Marie-Provence sah den entschwindenden Vögeln mit klopfendem Herzen nach. Dann ging sie ins Haus, um sich ein letztes Mal
     als Marianne zu kleiden.
    ***
    Das Areal vom Temple war ungleich bebaut. Während auf der südwestlichen Seite, auf der auch der donjon stand, ineinander verschachtelte
     Gebäude wuchsen, so hatten sich im östlichen Teil Gärten und Freiflächen erhalten. Sie erstreckten sich bis zur Umfriedung,
     die den donjon und seinen struppigen Graskranz abschottete.
    |377| Auf der Freifläche vor der Umfriedung war der Start des Ballons vorgesehen. Die Menschen, die sich an der Abflugstelle drängten,
     waren noch zahlreicher gekommen als erhofft, und man hatte Garden aufgestellt, um sie in Schach zu halten. Zu ihrer Überraschung
     entdeckte Marie-Provence auch vor der hohen, blinden Mauer, die den donjon umschloss, eine doppelte Reihe bewaffneter Soldaten.
     Offensichtlich hatte Barras keinerlei Risiko eingehen wollen.
    Ein Orchester hielt die Wartenden bei Laune, indem es revolutionäre Lieder spielte. Ein paar Patrioten im Publikum schmetterten
     mehr laut als verständlich den passenden Text dazu. Auf einer kleinen, mit Ähren und dreifarbigen Banderolen geschmückten
     Tribüne, die mit Blick auf den donjon aufgestellt worden war, stritten sich noch die Wohlhabenden unter den Zuschauern um
     die besten Plätze. Ein kokardenschweres Podium wartete auf seinen Redner. Neben ihm stand die Kanone, die vorhin den ersten
     Schuss abgefeuert hatte; sie wurde von einem Soldaten bewacht, der sich gelangweilt in den Ohren pulte. Insgesamt war der
     Rahmen zwar nicht so großartig wie bei der Fête de l’Être Suprême im vorigen Jahr, aber in seinem Pomp und seiner verkrampften
     Zurschaustellung von Symbolen durchaus vergleichbar.
    Das Ganze schrumpfte allerdings zum Lächerlichen vor der mächtigen Größe des
Intrépide
. Der Anblick des Ballons, wie er erhaben über dem hektischen Treiben schwebte, erfüllte sie mit Stolz.
    Ihr war, als fühle sie jeden einzelnen ihrer angespannten Muskeln, doch sie bemühte sich, ihren hübsch geschmückten Käfig
     mit den drei Brieftauben am Arm, ruhig und mit gleichmäßigen Schritten auf den Ballon zuzugehen. Dieser zog an seinen Seilen
     wie ein Vollblut, das seinen Reiter herbeisehnt. Die Tauben, die das Festkomitee geliefert hatte, befanden sich bereits in
     einem Käfig, der außen am Korb hing, um die Insassin nicht einzuengen. Die Tiere gurrten aufgeregt.
    «Marianne!»
    Sie wurde mit Beifall empfangen. Frauen hielten ihre |378| Kleinkinder hoch, ob zum Segen oder um ihnen eine bessere Sicht zu ermöglichen, wusste Marie-Provence nicht. Wie viele Menschen!
     Sie alle wollten miterleben, wie Marianne, die Repräsentantin der Republik, sich über den letzten ihrer Könige erhob, als
     Schutzpatronin des Mannes, der einer von ihnen war, der, so träumten sie, jeder von ihnen hätte sein können. Er war ein volksnaher
     Held, dieser Fallschirmspringer, und er verkörperte Tugenden, die die ihren waren – Mut, Entschlossenheit, Verwegenheit und
     Forscherdrang. Er half ihnen, ein paar Stunden lang zu vergessen, dass ihre Söhne auf den Schlachtfeldern standen und ihre
     Speisekammern leer waren. Ja, ihr habt gut daran getan zu kommen, dachte Marie-Provence, während sie winkend und lächelnd
     durch die Gasse schritt, die ein paar Garden offen hielten. Vom heutigen Tag und seinem überraschenden Ablauf werdet ihr noch
     euren Enkeln erzählen.
    An den Seilen des Ballons wartete eine Handvoll Männer auf Befehle. Ein kurzer Blick reichte Marie-Provence, um Assmendi zu
     entdecken, der an einem Grashalm kaute, die Hände in den Taschen. Saison harrte neben ihm aus, er hatte sich eine Mütze tief
     über die auffällig roten Haare gezogen. Marie-Provence verzog keine Miene, als sie die beiden kreuzte.
    André war noch von Bewunderern umringt, die sich drängten, um einen Handschlag von ihm zu bekommen. Doch als Marie-Provence
     kam, gab er zwei Garden ein Zeichen, woraufhin diese alsbald begannen, die Menschen hinter die Absperrung

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