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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Cadoudal, dem Anführer der Chouans, ganze Arbeit geleistet: Überwachungsposten |435| säumten die Küste, der Nachrichtenaustausch der republikanischen Regierung zwischen dem Festland und den Inseln war unterbrochen
     worden, Übergriffe auf Rathäuser hatten stattgefunden, und nach einem Überfall auf eine staatliche Pulverfabrik war eine riesige
     Menge an Munition hergestellt worden. Doch die «Blauen», die Trupps in den blauen Uniformen der Republikaner, durchstöberten
     die Dörfer, und es galt, das Geheimnis von Charles’ Aufenthalt so lange wie möglich zu wahren. Seltsamerweise hielten sich
     die aufständischen bretonischen Bauern, ein eigensinniger, wilder Menschenschlag, an die Vorschriften und gaben sich, zumindest
     in diesem Punkt, überraschend diszipliniert.
    Das Kind keuchte und stolperte des Öfteren, setzte aber unbeirrt einen Fuß vor den anderen. Die kleine Hand war nass und glitschig
     vom Schweiß. Wieder einmal war sich Marie-Provence nicht sicher, ob die Anstrengung das Richtige war für das Kind, doch ein
     eigensinniger Zug um dessen Lippen bewirkte, dass sie die Entscheidung weiterzulaufen ihm überließ.
    Und dann, endlich, standen sie am Wasser. Links befand sich eine kleine Anlegestelle, entblößt von der Ebbe. Rechts wechselten
     sich Sand und Felsen ab, dazwischen spiegelnde Pfützen und rotgrüne Algenbüschel.
    Sie ließen sich aufatmend auf einem flachen Stein nieder. Marie-Provence reckte ihr Gesicht in die Brise. Die Möwen, die sie
     aufgeschreckt hatten, tanzten um sie und stießen schrille Schreie aus, bevor sie über das schäumende Meer davonschossen. Marie-Provence
     sah ihnen nach und wurde von einer heftigen Sehnsucht gepackt. Wie atemberaubend musste dieses schöne, wilde Land von der
     Luft aus aussehen! Sie blinzelte heftig. Da legte sich eine kleine Hand auf ihren Schoß, blaue Augen sahen sie fragend an.
     Es gelang ihr, zu lächeln.
    «Schau, Marie!», sagte Charles staunend und deutete auf die Meerwasserpfütze zu seinen Füßen. Glasdünne Krabben und federgleiche
     Anemonen waren in ihr gefangen. Rundliche schwarze Strandschnecken und Einsiedlerkrebse zogen |436| über den Grund, auf ihren Schalen die Fahnen winziger Seepocken.
    Marie-Provence flüsterte: «Es ist ein Wunder, nicht wahr?»
    Charles nickte. Er zögerte sichtlich, stockte, suchte ihren Blick. «Danke, Marie!», sagte er schließlich. Seine Stimme klang
     so rau wie die Sprache der Menschen hier.
    Marie-Provence zog ihn an sich, spürte den Schlag seines Herzens und war glücklich.
    «Wie finden Sie unsere Bretagne, Madame?»
    Sie sah auf. Ein Mann mit den Schultern und dem Nacken eines Stieres stand hinter ihnen. Er war so breit und schwer, dass
     ihr unbegreiflich war, wie er sich derart lautlos hatte heranpirschen können. Er trug schlammfarbene Hosen, derbe Stiefel
     und einen verbeulten, nicht mehr schwarzen Hut. Auf seiner Brust prangte das weiße Abzeichen der Chouans, und in seinem Gürtel,
     der aus einem zusammengeknoteten Schal bestand, steckten zwei Pistolen; in der Hand trug er ein Gewehr. Doch inzwischen war
     Marie-Provence zu vielen Chouans begegnet, als dass sie von deren kriegerischem Aussehen beeindruckt gewesen wäre. Der intelligente
     Ausdruck in den Augen des Mannes gefiel ihr, ebenso die Entschlossenheit und Ruhe, die sein kräftiges Gesicht prägten.
    «Sie bringt ein mutiges und großherziges Volk hervor, Monsieur. Vor allem ihre Frauen.» Sie drehte sich halb um und warf einen
     Blick über die Wagen und Zelte. Versonnen erklärte sie: «Sie beeindrucken mich, wie sie ihren Männern nachziehen. Ohne Rücksicht
     auf das, was sie gefährden. Kinder und Großeltern werden einfach eingepackt und mitgenommen. Ich glaube, ich würde anders
     entscheiden und den Schwächeren den Vorrang geben – auch wenn meine Leidenschaft mich woanders hinziehen würde.»
    «Sie irren sich, Madame, was die Beweggründe dieser Frauen betrifft. Auch sie sind hier, um ihre Kinder zu schützen. Obwohl
     die Männer sich Decknamen zulegen, spricht sich immer wieder herum, wer zur Armee der Aufwiegler gehört. Und dann müssen die
     Angehörigen der Chouans dafür büßen.»
    |437| Marie-Provence sah die Menschen um sich plötzlich mit anderen Augen. «Die Strafen müssen fürchterlich sein, dass diese Frauen
     es auf sich nehmen, alles hinter sich zu lassen.»
    Der Mann stützte den Fuß auf einen Felsen und drückte den Kolben seines langen Gewehrs in den Sand. «Es fängt mit höheren
    

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